Predigt vom 23. Mai 2010 (Pfingsten)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Kann man das im Ernst beten: Ich glaube … die heilige katholische Kirche?"
Predigttext

Pfingsten 2010   23. Mai 2010

Kann man das im Ernst beten: Ich glaube … die heilige katholische Kirche?

Pfingsten gilt als die Geburtsstunde der Kirche. Ungefähr 120 Frauen und Männer, allesamt treue Anhänger Jesu, sind im Abendmahlssaal um Maria und die Apostel versammelt. Betend sind sie hier beisammen und warten, wie es ihnen der Auferstandene aufgetragen hatte, auf den Beistand, den Heiligen Geist, den er senden würde. Sie planen nicht, entwickeln keine Strategien für die Zukunft, sondern sie beten einfach. Die Kirche ist aus dem Gebet geboren: aus dem Gebet der Menschen unten auf Erden und aus der Gabe von oben, der des Geistes, den Gott schenkt. Diesen Ursprung der Kirche aus Heiligem Geist und Gebet darf sie nie vergessen. Ihre Mission, ihre Sendung kann sie nur in dem Maße erfüllen, wie sie auch heute aus diesem Ursprung lebt und danach handelt: in der Haltung der betend geöffneten Hände alles von Gott her zu empfangen.

Diese Kirche ist einmal mehr in letzter Zeit ins Gerede gekommen, nicht zuletzt deswegen, weil ihr Selbstverständnis in so krassem Gegensatz zur Realität zu stehen scheint. Mit einem komischen, für manche Zeitgenossen geradezu lächerlichen Ernst bezeichnet sie sich seit 2000 Jahren als heilig. In jeder Eucharistiefeier bekennen wir miteinander: Ich glaube … die heilige, katholische Kirche. Ich kann mir vorstellen, dass auch so mancher der hier in der Kirche Sitzenden an dieser Stelle des Glaubensbekenntnisses stutzt, vielleicht sogar das „heilig“ einfach weglässt, wie ich es jedenfalls gelegentlich von einzelnen Gläubigen höre.

Es stellt sich also die Frage, ob Sie, ob ich, ob wir diesen Passus des Glaubensbekenntnisses beten können, ohne als Realitätsverweigerer dazustehen.

Meine persönliche Antwort lautet: Ja, ich kann es, weil ich weiß, dass die Kirche mit demselben Ernst Tag für Tag in den Einzelnen ihrer Glieder bis hinauf zum Papst bekennt, dass sie aus Sündern besteht und immer wieder neu auf die Barmherzigkeit und Vergebung Gottes angewiesen ist. So steht etwa am Anfang jeder Messfeier ein solches Bekenntnis samt Bitte um Vergebung; als weiteres Beispiel sind die Ordensleute, Priester und Laien zu nennen, die den Tag mit der Komplet beenden. Diese beginnt mit einem Tagesrückblick, dem sich ebenfalls das allgemeine Schuldbekenntnis anschließt.

Wie geht dies nun aber zusammen, dieses Paradox der Kirche, sich zugleich als heilig und als sündig zu verstehen?

Zunächst einmal gilt das Offensichtliche: Die Kirche besteht in der Tat nicht aus lauter vollkommenen Christen, sondern hat Teil an der Sündigkeit der Menschheit insgesamt. Sie ist daher genau so der Erlösung bedürftig wie jeder andere Mensch auch. Sie so zu sehen, entlastet; denn in einer perfekten Kirche hätte ich keinen Platz und wohl keiner von uns, weil wir alle nicht perfekt sind.

Von dieser Kirche der Sünder glauben wir nun aber, dass der Heilige Gott selbst, insbesondere der Heilige Geist, in ihr Heilsames und Heiliges wirkt. Er wirkt es in den Menschen, besonders jenen, die sich seinem Wirken öffnen. Er wirkt es durch die Sakramente der Kirche, die die heilsame und heiligende Gegenwart Gottes selbst enthalten: die Taufe gibt uns Teil am heiligen und unzerstörbaren Leben Gottes, indem sie uns zu seinen  Söhnen und Töchtern macht und uns so die Gotteskindschaft gewährt – ein großes Geschenk, dem aber auch ein hoher Anspruch entspricht; die Eucharistie enthält den Heiligen selbst, Christus, unseren Erlöser; Beichte und Krankensalbung heilen von und stärken uns in den Belastungen von Schuld, Krankheit und Sterben. Die Firmung verbindet noch einmal tiefer mit dem Heiligen Geist, der uns in unseren Lebensentscheidungen und zum Zeugnis als Christen stärken möchte. Das Sakrament der Ehe heiligt die menschliche Liebe der Ehegatten, die Priesterweihe ist der Auftrag, Werkzeug der Durchgabe von Gottes heiligendem Wirken für die Menschen zu sein sowohl in der Verkündigung des Wortes Gottes wie in der Spendung der Sakramente wie auch im Dasein für die körperlich und seelisch Leidenden. All das kann nur heißen: die Kirche versteht sich als heilig , weil der Heilige Gott selbst in ihr und durch sie Heiliges und Heilsames wirkt. Aus diesem und keinem anderen Grund ist der Passus: ich glaube die heilige Kirche betbar.

Dennoch bleibt in der aktuellen Situation der Kirche, deren Schwierigkeit sich in den deutlich erhöhten Austrittszahlen spiegelt als Konsequenz aus dem, was in den vergangenen Monaten ans Tageslicht kam, die Frage, ob deswegen Depression, Resignation, verschämter Rückzug aus der Öffentlichkeit angesagt ist? Ich behaupte, dass dazu nicht der geringste Anlass besteht. Im Gegenteil: Für mich ist das, was derzeit innerkirchlich geschieht, etwas höchst Ermutigendes; ein Zeichen dafür, dass der Heilige Geist nach wie vor in der Kirche wirkt. Ich bin mir sicher, dass in dem „Sturm“, der über die Kirche hereingebrochen ist, der Geist Gottes selbst es ist, der darin sein Werk tut so wie damals vor 2000 Jahren. Natürlich stammt dabei vieles von dem, was gesagt und geschrieben wurde, nun wirklich nicht von Ihm; aber inmitten von viel Unsinn und Häme wirkt er an der Kirche, was Er will. Wie ein reinigendes Gewitter ist er daher mitten hinein gefahren in viel morsches Gebälk im Haus der Kirche, um ihr die Chance zur Selbstreinigung und zu einem neuen Aufbruch zu schenken.

Manuel Herder, der Leiter des großen katholischen Verlagshauses Herder, das die Gesammelten Werke Josef Ratzingers herausbringt, hat in einem Interview im Rheinischen Merkur folgendes gesagt: „Im Rückblick werden viele Leute erstaunt feststellen, dass die Kirche in Deutschland die erste Institution war, die dieses Tabuthema (des Missbrauchs) so selbstkritisch aufgebrochen hat. Die Kirche hat das unter großen Schmerzen getan und – im Verhältnis zur jahrhundertelangen Tabuisierung durch die Gesellschaft – auch in sehr kurzer Zeit. Sie nimmt dabei auch die Opfer in den Blick. Ich wünschte, die säkulare Gesellschaft würde das auch tun. Noch 2007 haben wir ein autobiographisches Werk einer von innerfamiliären Missbrauch Betroffenen makulieren müssen: Es gab bei Presse und Leserschaft kein öffentliches Interesse.“ All die Medien, die momentan so laut schreien, haben bis zu dem Zeitpunkt, da die Kirche selbst das Thema angepackt hat, so gut wie kein Interesse daran gezeigt. Erst als man sie, die Kirche, damit treffen konnte, ging die Lawine los. Es sind teils schon sehr ungerade Zeilen, auf denen der Heilige Geist schreibt, aber immerhin: er schreibt – zur Besserung der Kirche.

Was ist für diese zu tun? Ich will noch einmal Manuel Herder zitieren, weil ich es für so goldrichtig halte, was er ausführt: „Es gibt zwei Arten, über Glaube und Kirche zu reden. Die eine Art ist es, über die Institution Kirche, ihre Vertreter und Organisation zu reden. Die andere ist es, die Gottesfrage zu stellen und sich mit den großen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen. Wenn – wie in letzter Zeit – ständig über die Institution Kirche geredet wird und die großen Fragen nach Gott vergessen werden, ist das, als würden bei der Fußball-WM nicht sie Spiele übertragen und die Torschüsse gezeigt, sondern sich die Kameras ausschließlich auf das Organisationskomitee der Fifa richten. Nein, viele Menschen fragen: Wo ist Gott? Warum bin ich auf der Welt? Was ist der Sinn meines Lebens? Menschen, die sich solchen Fragen widmen, sind begeistert von dem, was Papst Benedikt lehrt und schreibt.“

Was also ist die Aufgabe der Kirche in unserer Zeit? Weder Anpassung an den Zeitgeist noch Totalabgrenzung in einer Wagenburgmentalität kann der Königsweg sein. Prüft alles im Heiligen Geist, das Gute behaltet, denn auch im Zeitgeist ist manches Gute; dem Unguten aber setzt euch entgegen, so lautet in freier Übersetzung ein Rat des hl. Paulus. Die Aufgabe schlechthin der Kirche unserer Zeit ist, den Horizont dieser Welt aufzureißen und nach oben zu öffnen; die Welt aus ihrer Selbstverschlossenheit, aus einem platten oberflächlichen Materialismus herauszuführen, um der Wahrheit im Leben der Menschen eine Chance zu geben. Wo die Kirche durch Gebet, durch das gesprochene und gelebte Zeugnis für Gott und Mitmensch auf die Sinnfrage Antwort zu geben und Werte zu vermitteln sucht, wo sie Gott einen  Platz zu geben sucht in unserer Welt – da ist sie auch heute unentbehrlich für unsere Zeit, für unsere Gesellschaft.

Pfr. Bodo Windolf

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