Predigt vom 27. Juni 2010

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Die Radikalität der von Jesus geforderten Nachfolge."
Predigttext

13. Sonntag i. J.          C  2010          Lk 9,57-62    27. Juni 2010

Die Radikalität der von Jesus geforderten Nachfolge

Am gestrigen Samstag wurden im Dom zu Freising vier Neupriester für unsere Diözese geweiht. Daher trifft es sich gut, dass das Evangelium vom heutigen Tag über die Nachfolge handelt. Und das, was wir da aus dem Munde Jesu zu hören be­kommen, ist dazu angetan, uns ausrufen zu lassen: Protest! Im Namen der Menschlichkeit: Protest. Alles natür­liche Empfinden wehrt sich gegen das, was Jesus hier in äußerster Radikalität fordert.

Schauen wir uns das Ganze der Reihe nach an. Zum besseren Verständnis ist zunächst einmal festzustellen: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem, deutlicher und mit anderen Worten: Er ist auf dem Weg in Seinen Tod. Der Einleitungsvers zur heutigen Perikope: „Es begab sich aber, als die Tage, da er hinweggenommen werden sollte, sich erfüllten, da nahm er entschlossen seinen Weg nach Jerusalem“, markiert in der Konzeption des Lukas-Evangeliums einen Wendepunkt im Leben Jesu. Das Wort Hinwegnahme meint Passion und Auferstehung in ei­nem. Jesus, so der Sinn dieses Verses, geht ab jetzt bewusst und entschlossen Seinem Kreuzestod entgegen, um so seine Sendung zu vollenden.

Dies ist zu bedenken, wenn wir ihn nun über Nachfolge sprechen hören; denn ein wirklich Nachfolgender kann ja nicht sagen: „.Bis hierher und nicht weiter“, sondern er muss damit rechnen, auf irgendeine Weise Weg und Schicksal Jesu zu teilen.

Auf diesem Weg, der Ihn von Galiläa über Samaria nach Jerusalem führt, wird er von einem namenlos bleibenden Mann ange­sprochen: „Ich wi11 dir folgen, wohin du auch gehst.“ Jesu Antwort klingt seltsam: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat nichts, wohin er sein Haupt legen kann.“ Das ist zunächst einmal eine Feststellung, die den Preis für echte Nachfolge angibt. Was Menschen und selbst Tieren selbstverständlich ist – ein Heim zu haben hier auf der Erde – hat er, Gottes Sohn unter den Menschen, nicht. Er ist nicht fest verwurzelt, etabliert, versehen mit einem bürgerlichen Zuhause. Vielmehr ist seine Lebensweise steter Aufbruch, Aufbruch dorthin, wohin der Vater ihn sendet. Al­lein im Willen des Vaters ist er zuhause. Sein Heim ist kein Ort der Erde, sondern der Himmel, zu dem er un­terwegs ist.

 

Dies muss auch für einen ihm Nachfolgenden gelten. Keine Station des Lebens darf zum endgültig beanspruch­ten Besitz werden. Alles muss man, wenn gefordert, loslassen und hinter sich lassen können, um aufzubrechen dorthin, wohin der Wille des Vaters ruft. Sonst ist man nicht wirklich brauchbar als nachfolgender Jünger, nachfolgende Jüngerin des Herrn. Jesus schenkt dem, der vielleicht aus einer ersten Begeisterung heraus den Weg mit ihm gehen will, reinen Wein ein. Er darf nicht ahnungslos sein in Bezug auf das, was echte Jünger­schaft auch an Entbehrung kosten kann. Es geht um Weggemeinschaft mit Jesus, die auch das Kreuz beinhalten kann (wobei klar sein muss, dass das letzte Ziel Auferstehung und damit Freude ist, die schon den irdischen Weg prägen soll). Hier ist ein entscheidender Unterschied zur Gefolgschaft, die die jüdischen Rabbiner forderten. Diese umfasste nur die Dauer der Ausbildung bis zur Einsetzung ins Rabbinat. Gefolgschaft Jesu dagegen endet nie.

Ein Zweiter wird von Jesus selbst angeredet: „Folge mir nach!“, fordert Er ihn kurz und bündig auf. Dessen Reaktion: „Erlaube mir zuerst, hinzugehen und meinen Vater zu begraben.“ Dieses Werk der Barmherzigkeit, das nach jüdischem Verständnis zum Selbstverständlichsten gehört, was Kinder ihren Eltern an Pietät schulden, wird von Jesus mit einem Satz beiseite gewischt: „Lass die Toten die Toten begraben; du aber gehe hin und verkünde das Reich Gottes.“

Hier nun regt sich wohl zum ersten Mal einfach nur der vorhin erwähnte Protest. Wie kann Jesus so etwas ver­langen? Wie kann er verlangen, auf so eklatante Weise gegen Brauchtum, gute Sitte, Familiensinn, ja sogar religiöse Tradition und Pflicht zu verstoßen? Rein menschlich betrachtet kommen wir hier tatsächlich an eine Grenze des Verstehens. Aber wenn wir Jesu Wort nicht einfach abtun wollen als in Wirklichkeit gar nicht so gemeint, müssen wir uns seiner Radikalität stellen.

Sicher fordert er hier nicht dazu auf, prinzipiell gegen all das Genannte zu handeln. Wohl aber sagt er, dass dies alles kein letzter Wert und Maßstab sein darf. Gegenüber der Dringlichkeit des Rufes Gottes kann es sein, dass selbst andere sehr hohe Werte zurückstehen müssen, falls sie diesem Ruf entgegenstehen. Ein Beispiel ist der hl. Franziskus. Als sein leiblicher Vater sich seiner Berufung entgegenstellte, Jesus in äußerster Armut zu folgen, stellte er alle Pietäts- und Gehorsamspflichten gegenüber seinem leiblichen Vater zurück, zog er vor den Augen des Bischofs und der versammelten Bürgerschaft Assisis alle seine Kleider aus, warf sie seinem Vater vor die Füße und sagte, dass er von nun an nur noch dem Ruf des Vaters im Himmel folgen wolle. 

 

Wenden wir uns nun noch dem Dritten zu, dem Jesus in der heutigen Evangelien-Perikope begegnet. Auch er bietet sich zur Nachfolge an, will aber zuvor noch Abschied nehmen von seiner Familie. Auch ihm wird eine höchst schroffe Antwort zuteil: „Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.“ Wieder muss die Familie gleichsam herhalten, um zu zeigen, dass ganz ähnlich wie beim zweiten Kandidaten selbst höchste Werte u.U. zurückstehen müssen gegenüber dem Ruf Gottes, gegenüber dem Ruf Jesu. Hier ist an das Wort zu denken: Wer Vater und Mutter, Sohn und Tochter, seine Familie mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert.

So kann nur Einer sprechen, nämlich der, der allein allen unseren irdischen Beziehungen einen letzten Sinn, einen letzten Wert gibt: nämlich Gott. In der Re­gel wird kein Widerspruch bestehen zwischen der Liebe zur eigenen Familie und dem Ruf in seine Nachfolge, aber es kann zu einem solchen Widerspruch kommen, so dass ein Mensch sich tatsächlich entscheiden muss zwischen Gott und seinen menschlichen Bindungen. Es kann dazu kommen, wenn menschliche Verbindungen, seien sie verwandtschaftlich oder freundschaftlich, zu einer Bindung werden, die uns so fesseln gegen den Ruf und den Willen des Herrn, dass wir sie lösen müssen. In diesem Sinn sollen wir nicht zurückschauen, dann nämlich, wenn wir von dem, was hinter uns liegt, nicht loskommen, wenn wir uns von Vergangenem nicht lösen können und es uns den Blick nach vorne versperrt, den Blick in die Zukunft, die Gott uns bereiten und durch uns ande­ren bereiten möchte.

In der Tat gibt es nur Einen, der so radikal rufen kann und darf: das ist Der, der über allen Werten unseres irdi­schen Daseins steht, weil Er ihnen, wie schon gesagt, allererst ihren eigentlichen Wert verleiht. Durch Ihn wird auch das und werden die gesegnet, die ein Gerufener u. U. verlassen muss.

Bitten wir für uns selbst um die Kraft, dem Ruf Gottes und der Liebe zu Ihm und Seinem Sohn Jesus Christus nichts anderes vorzuziehen.

Pfr. Bodo Windolf

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