Predigt vom 4. Juli 2010

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Jesu Aussendungsrede zu Mission und Evangelisierung."
Predigttext

14. Sonntag i. J.         Lk 10,1-12.17-20       C 2010     4. Juli 2010

Jesu Aussendungsrede zu Mission und Evangelisierung

Das Christentum war von Anfang an eine missionarische Religion; nicht, weil man sich selbst anderen aufdrängen wollte; nicht, um über den Umweg der Religion Macht und Einfluss über andere zu gewinnen; nicht, weil man sich selbst für besser gehalten hätte als andere, sondern – weil der Gründer selbst es so wollte. Gott, der seinen Sohn zu uns gesandt hat, ist der Gott und Schöpfer aller Menschen. Daher will er auch das Heil aller Menschen. Darum will er auch, dass die Frohe Botschaft von der Erlösung durch Jesus Christus zu allen Menschen gelange. Daher sind es in der Symbolsprache der heutigen Evangelienperikope genau 72 Jünger, die Jesus aussendet. Denn nach damaliger jüdischer Auffassung umfasste der Erdkreis 72 Völker. So stehen also die Zweiunssiebzig für den ganzen Erdkreis, zu dem sie gesandt sind.

Was nun folgt, ist eine programmatische Rede Jesu, mit der er deutlich macht, wie und mit welchem Inhalt Mission, Evangelisierung erfolgen soll.

„Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ Das Erntefeld ist, wie gesagt, die ganze Welt. Gemessen daran sind es immer zu wenig Arbeiter. Das erste ist also das Gebet um solche Arbeiter im Weinberg des Herrn. Jeden Donnerstag beten wir hier in Garching eine halbe Stunde vor der Abendmesse in diesem Anliegen. Wir könnten durchaus noch einige Mitbetende gebrauchen.

„Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Als Arbeiter taugt nur, wer mutig ist, wer keine Menschenfurcht kennt. Denn wer das Evangelium Jesu verkündet, wird immer wieder auch anecken und Anstoß erregen. Wer immer nur Beifall sucht und ihn bekommt, bei dem müssten die Alarmglocken läuten. Er muss sich fragen, ob er die Botschaft Jesu nicht weichgespült oder gar an den Zeitgeist angepasst und so verfälscht hat.

„Nehmt keinen Geldbeutel mit, keine Vorratstasche und keine Schuhe!“ Das muss man in heutige Zeit übersetzen. Ein aufwendiger Lebensstil passt nicht zu einem Jünger Jesu und macht den Boten unglaubwürdig. Es geht sicher nicht um Ärmlichkeit, aber Einfachheit, Bescheidenheit, Orientierung eher am unteren Lebensstandard der Bevölkerung sind ganz gute Kriterien für einen angemessenen Lebensstil von Priestern und anderen in der Seelsorge Tätigen. 

„Grüßt niemand unterwegs!“ Das erscheint auf den ersten Blick als eine höchst seltsame Aufforderung. Will Jesus hier die ganz normalen und einer selbstverständlichen Höflichkeit geschuldeten Umgangsformen hintertreiben? Sicher nicht. Im Hintergrund stehen die orientalischen Gepflogenheiten der Begrüßung. Hier war und ist es nicht mit einem freundlichen „Grüß Gott“ getan, das man sagt, um gleich wieder seiner Wege zu gehen. Begrüßung heißt hier Einladung, miteinander Essen, Trinken, Austausch über die neuesten Ereignisse, Palavern über Gott und die Welt, wobei die Betonung hier auf palavern liegt. „Nicht grüßen“ betont also an dieser Stelle die Dringlichkeit der Verkündigung. Man soll die Zeit nicht mit viel unnützem Gerede vertun, sondern zielstrebig vorgehen wie ein Bauer, der zur Zeit der Ernte unter Umständen Tag und Nacht arbeitet, damit die schon reife Ernte nicht verdirbt.

„Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus!“ Verkündigung soll Frieden bringen und muss daher auch im Geist des Friedens geschehen. Der christliche Missionsgedanke ist bei vielen Menschen unserer Zeit in Misskredit geraten, weil viele das Bild gewaltsamer Missionierung im Hinterkopf tragen. Natürlich hat es das leider Gottes gegeben. Aber es ist historisch unwahr, dass dies die Regel gewesen wäre.

Was waren die Gaben christlicher Mission an die christianisierten Völker? Ich möchte zunächst Bildung und Kultur nennen. Die europäische Kultur und Wissenschaft hätte es ohne das Christentum nie und nimmer gegeben.

Mindestens so wichtig war und ist die Gabe der sozialen Fürsorge. „Heilt die Kranken und sagt den Leuten: Das Reich Gottes ist euch nahe“, so heißt es an späterer Stelle. Wo immer das Christentum Fuß fassen konnte, war die Fürsorge für die armen, kranken, behinderten und alten Menschen ein zentrales Anliegen. Gerade diese Menschen wurden vom Rand in die Mitte aller Bemühungen gerückt. Und dies gab es vor und außerhalb des Christentums in keiner einzigen der menschheitlichen Religionen und Kulturen. Auch die uns heute so selbstverständliche staatliche Sozialgesetzgebung und Fürsorge ist ohne diesen durch das Christentum erst in die Welt gekommenen Gedanken nicht denkbar.

Aber die größte Gabe war und ist Gott selbst. Die meisten unter uns machen sich kaum einen Begriff davon, wie angstbesetzt viele heidnische Religionen und Kulte waren und sind; in welcher Angst vor grausamen und willkürlichen Göttern und Dämonen viele Völker gelebt und ihre Kulte ausgeübt haben. Die Liebe zu einem uns zuerst liebenden Gott und als Konsequenz daraus die Liebe zu unterschiedslos allen Menschen als die Zusammenfassung aller Gebote ist die unvergleichliche Gabe des Christentums an die Menschheit insgesamt.

In der Haltung des Friedens kommen und Frieden und Versöhnung stiften: für den Einzelnen in seiner Beziehung zu Gott und seinen Mitmenschen, für kleine und große Gemeinschaften wie Familie, Nachbarn, Völker, ja zwischen den Christen selbst – das ist eine Aufgabe, mit der die echten Jünger Jesu bis ans Ende der Welt nicht fertig werden.

Erfolglosigkeit ist auch eine realistische Erfahrung, die Jesus in seiner Progrmm-Rede nicht auslässt. Die Gebärde des Sich-den Staub-von-den Füßen-Schüttelns will für diesen Fall nicht zu Zorn, Wut oder Enttäuschung, Resignation aufrufen, sondern sagen: Die Menschen sind frei. Wenn sie euch und eure Botschaft ablehnen, bleibt euch nichts anderes übrig, als sie sich selbst und der Gnade Gottes zu überlassen. Vielleicht bekehren sie sich zu einem späteren Zeitpunkt. Aber sie müssen auch mit Gericht rechnen. Die bewusste und bis zuletzt durchgehaltene Ablehnung des Evangeliums bleibt nicht folgenlos: „Sodom wird es an jenem Tag nicht so schlimm ergehen wie dieser Stadt.“ Das Evangelium ist kein beliebiges Angebot unter vielen anderen, bei dem es egal wäre, ob ich es annehme oder zu etwas anderem aus dem Sortiment der vielen Sinnangebote greife. Die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe ist nicht nur das Markenzeichen des christlichen Glaubens, sondern auch Wahrheit und daher jener Weg, der letztlich allein zum Ziel des Lebens führt und unter dessen Anspruch daher auch in irgendeiner Weise alle Menschen stehen.

Diese Botschaft sowie den, der die Botschaft selbst ist, nämlich Jesus Christus als Menschgewordener und Erlöser, schulden wir nach der Aussage Jesu allen Menschen. Daher ist das heutige Evangelium eines, das jeden von uns auf je eigene Art angeht, denn wir alle sind, wenn auch auf unterschiedliche Weise, als Zeugen gesandt.

Pfr. Bodo Windolf

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