Predigt vom 11. Juli 2010

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Umgang mit behindertem menschlichen Leben. "
Predigttext

15. Sonntag i. J                  2010     11. Juli 2010

Umgang mit behindertem menschlichen Leben. Das jüngste Urteil des BGH zu PID

Was ist eigentlich das Neue am Doppelgebot der Liebe zu Gott und den Mitmenschen, wie es Jesus uns überliefert?  Sicher nicht, dass er beide Gebote zum ersten Mal formuliert hätte. Denn beide stehen schon im Alten Testament, allerdings zusammenhanglos an zwei ganz unterschiedlichen Stellen: das Gebot der Gottesliebe im Buch Deuteronomium, das Gebot der Nächstenliebe im Buch Levitikus. Das Neue ist, dass Jesus beide Gebote zu einer untrennbaren inneren Einheit zusammenbindet und so auf geradezu geniale Weise das ganze alttestamentliche Gesetz zusammenfasst. Was schon in den Zehn Geboten sichtbar wird, wird hier vollendet und kann man in unseren heutigen Sprachgebrauch so übersetzen: Gottesrecht wird hier zu universalem Menschenrecht und Menschenrecht zu Gottesrecht; m.a.W.: Gott selbst steht ein für die Rechte unterschiedslos jedes Menschen.

Das erste und grundlegende Recht eines jeden Menschen ist das Recht auf Leben. Wenn man fragt, was den Nächsten lieben eigentlich heißt, dann lautet die erste Antwort – das hat der Philosoph Josef Pieper in seinem Büchlein Über die Liebe sehr schön herausgearbeitet: Lieben heißt, dem anderen sagen: Du sollst sein. Es ist gut, dass es dich gibt. In der Liebe liegt also immer eine daseinsgewährende Kraft, was im Umkehrschluss bedeutet: Liebe verweigern heißt, jemandem sein Daseinsrecht einschränken oder gar negieren.

Damit sind wir bei einem brandaktuellen Thema. Vergangenen Dienstag, am 6. Juli, hat der 5. Strafsenat des BGH in Leipzig ein Grundsatzurteil gegen das Lebensrecht gefällt. Was war der Hintergrund? Ein Berliner Reproduktionsmediziner hatte die sog. Präimplatationsdiagnostik (PID) angewandt, eine Technik, mit der bei künstlicher Befruchtung Embryonen mit unerwünschtem Erbgut selektiert und vernichtet werden. Er hatte Selbstanzeige erstattet mit dem Argument: Wenn ein genetisch defekter Embryo in den Schoß einer Frau implantiert wird, darf das heranwachsende Kind bis unmittelbar vor der Geburt abgetrieben werden. Wenn aber der Gesetzgeber diese Prozedur für legal erklärt, dann ist es doch logisch und für alle Beteiligten besser, das Kind erst gar nicht einzupflanzen, sondern zu vernichten, auch wenn das dem Embryonenschutzgesetz widerspricht.

Innerhalb der Todeslogik unserer Abtreibungsgesetzgebung ist die Argumentation des Arztes in der Tat schlüssig. Nun hat aber nach meinem juristischen Laienverstand ein Gericht nicht die Aufgabe, mangelnde Logik des Gesetzgebers auszugleichen, sondern die bestehenden Gesetze anzuwenden und gegebenenfalls auszulegen, nicht aber einen neuen Gesetzestatbestand zu schaffen. In diesem Sinn ist das jüngst ergangene Urteil des BGH aus meiner Sicht eine klare Kompetenzüberschreitung. Denn es erlaubt PID in dem klaren Wissen, dass bei in der Regel ja nur mutmaßlicher Behinderung oder Erbkrankheit ein gezeugtes Kind vernichtet wird. Dagegen sagt das Gesetz, dass die „Verwendung“ eines Embryos  zu einem „nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck“ strafbar ist. Damit wollte man nicht nur verhindern, dass es wieder, wie wir es ja schon einmal hatten, zur Unterscheidung zwischen lebenswertem und lebensunwertem Leben kommt, sondern auch nicht zu sog. Designer-Babys, bei denen man sich Geschlecht, Haar- und Augenfarbe und vieles mehr per Bestellung aussucht und das Nichtpassende aussondert.

Ob ich mit meinem juristischen Laienurteil richtig liege oder nicht, mögen andere beurteilen, allerdings tut es nichts zur Sache. Denn die Sache selbst, zu der in der Freitagsausgabe der SZ einige gute Artikel erschienen sind, ist das Schlimme. Die abschüssige Bahn, auf der wir uns befinden, seit auch in unserem Land die Tötung ungeborener Kinder unter bestimmten Umständen erlaubt ist, zieht uns Schritt für Schritt immer tiefer hinunter in den ganzen Strudel menschenvernichtender Praktiken. Immer wird am Anfang gesagt, man gestatte die Tötung menschlichen Lebens nur für ganz eng umgrenzte schwere Fälle. Aber wenn ich einmal damit anfange, ungeborenes menschliches Leben für tötbar zu halten, dann werden mit geradezu zwangsläufiger Dynamik die Fälle immer mehr ausgeweitet. Genau das beobachten wir seit den 70er Jahren, das BGH-Urteil ist nur ein weiterer Schritt in diesem Prozess.

An dieser Stelle möchte ich ein bekanntes Zitat von Heinrich Böll einfügen:

„Selbst die allerschlechteste christliche Welt würde ich der besten heidnischen vorziehen, weil es in einer christlichen Welt Raum gibt für die, denen keine heidnische Welt je Raum gab: für Krüppel und Kranke, Alte und Schwache, und mehr noch als Raum gab es für sie: Liebe; für die, die der heidnischen wie der gottlosen Welt nutzlos erschienen und erscheinen …“

Wenn wir einen Rechtstaat daran messen, ob er die Rechte der schwächsten Menschen schützt, dann ist das Urteil des BGH ein weiterer Schritt in Richtung Barbarei. Der Boden rechtsstaatlicher Humanität, auf dem unser Gemeinwesen aufruht und unter dem der Sumpf des brutalen Rechts des Stärkeren brodelt, wird immer dünner. Wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich der Embryo nicht zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt. Wer demgegenüber bei einem Kind in seinem frühesten Stadium von einem Zellhaufen spricht, begeht einen interessegeleiteten Selbstbetrug oder kaschiert durch einen sprachlichen Trick die Vernichtung menschlichen Lebens.

Die Generation der 68er fragte die ihrer Väter und Mütter: Warum habt ihr zum Unrecht der Nazis geschwiegen? Mit welchem Recht sie das fragten, sei dahingestellt; denn die Fragenden hatten selbst nie das eigene Leben oder das von Angehörigen in einer menschenverachtenden Diktatur riskieren müssen.

Ich bin gespannt, ob einmal eine spätere Generation die unsere fragen wird, warum so viele unter uns geschwiegen haben zu millionenfacher Abtreibung, Spätabtreibung, Selektion künstlich erzeugter Kinder, etc. Eine solche Generation würde sicher mit mehr Recht nachfragen, denn wir riskieren nicht unser Leben, höchstens unseren Ruf. Denn die Aggressivität, mit der Lebensschützer oftmals verbal angegangen werden, oder auch die Gleichgültigkeit, der sie begegnen, kann ganz schön an die Nieren gehen.

Zum Schluss möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich die Taten, von denen ich gesprochen habe, für böse halte. Damit geht nicht ein Urteil über die Menschen einher, die in diese Taten, auf welche Weise auch immer, verwickelt sind. Ein solches Urteil steht allein Gott zu. Ich darf hinzufügen, dass ich nie auch nur eine leiseste Verurteilung empfunden habe, wenn Menschen mit mir z.B. über eine persönliche Abtreibung gesprochen haben. Im Gegenteil: immer habe ich hohen Respekt davor, sich mir in einer solchen Sache zu offenbaren und es ist eine tiefe Freude, Menschen bei der Bewältigung eines solchen Traumas ein wenig helfen und begleiten zu können.

Wem der Lebensschutz ein Anliegen ist, darf allerdings nicht nur Worte machen, sondern muss auch helfen, nicht zuletzt auch materiell. Lebensschutzorganisationen können nur über Spenden werdende Mütter seelisch und materiell unterstützen. Es liegt auch an uns, dass Kinder zumindest nicht wegen finanzieller Not nicht geboren werden.

 Pfr. Bodo Windolf

Ich möchte hier drei anführen:

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BLZ: 72090000, Konto: 5040990

BLZ: 75090300, Konto: 2147505

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