Predigt vom 6. Februar 2011

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching 

Thema:

"Licht der Welt sein – Tötung auf Verlangen oder Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden?"
Predigttext

Licht der Welt sein – Tötung auf Verlangen oder Begleitung von Schwerstkranken und Sterbenden?

(5. Sonntag i. J.  Lj. A  2011)   6.2.2011

„Ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde!“ Mit diesen beiden Aussagen leitet Jesus die Bergpredigt ein, jene große Rede, in der er die neue Ethik für seine Jünger entfaltet. Wer tut, was Jesus sagt, ist Licht der Welt; ist Salz der Erde.

Das Erstaunliche an dieser Einleitung ist: Jesus formuliert nicht: Ihr sollt Licht der Welt erst noch werden, etwa indem ihr nach der Bergpredigt handelt; sondern: Ihr seid Licht der Welt. Er will wohl damit sagen: Indem ihr mir zuhört, aufmerksam, innerlich beteiligt, mitgehend, geschieht schon etwas in euch. Natürlich müsst ihr auch noch werden, was ihr seid, nämlich Licht; aber es ist in euch schon wirksam.

Wo und wie können wir das sein: Licht der Welt und Salz der Erde? Am heutigen Tag, da einige von Ihnen die Krankensalbung empfangen, möchte ich als Beispiel den Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden nennen.

In seiner Botschaft zum Welttag der Kranken schreibt Papst Benedikt: „Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden. Das gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft.“

Wir alle wissen, dass der Umgang mit alten und sterbenden Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen häufig sehr zu wünschen übrig lässt, unwürdig, ja barbarisch sein kann, in manchen Häusern aber mit großem Einsatz geschieht. Schön zu wissen, dass es in unserer Stadt Garching viele sind, die in diesem Bereich Licht der Welt sind: im Seniorenheim, bei der Nachbarschaftshilfe, im Hospizkreis, bei der Caritas, der Diakonie, nicht zu vergessen die, die daheim einen Angehörigen pflegen.

Aber wir sollen nicht nur Licht sein, sondern auch Salz, das würzt, aber auch brennen kann, etwa wenn man es in offene Wunden streut. Eine solche offene Wunde unserer modernen Gesellschaft möchte ich an dieser Stelle ansprechen. 

Eine der großen Fragen unserer Zeit ist: Wie ist mit Menschen umzugehen, die unheilbar krank sind und nicht mehr leben wollen. Es werden immer mehr in unserem Land – inzwischen ist es sogar die Mehrheit der Bevölkerung – die für diese Personen aktive Sterbehilfe oder zumindest ärztlich assistierten Suizid legalisiert sehen möchten. Der Leidende soll die Möglichkeit haben, sein Leid aus der Welt zu schaffen, indem er mit Hilfe anderer sich selbst aus der Welt schafft. Das Ganze geschieht unter Berufung auf höchste Werte wie Humanität, Mitleid, Freiheit, Selbstbestimmung. In diesem Sinn sollen auch in Kürze, so der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dieter Hoppe, die Grundsätze zur ärztlichen Sterbebegleitung geändert und der ärztlich assistierte Suizid erlaubt werden, wenn der Arzt dies mit seinem Gewissen vereinbaren könne. Es ist klar, dass damit ein weiterer Schritt hin zur staatlich legitimierten Tötung von Menschen getan wird. Einmal mehr würde ein zentraler Grundsatz des 2400 Jahre alten Hippokratischen Eides über Bord geworfen, dass ärztliche Kunst ausschließlich zum Heilen, nicht aber zum Töten eingesetzt werden darf.

Es mag ja sein, dass es Einzelne gibt, die die Entscheidung zum Suizid tatsächlich frei treffen. Ich selber denke dazu: Mögen sie tun, was sie wollen, aber sie sollen doch dann bitte selbst Hand an sich legen und nicht noch andere mit hineinziehen und so das Töten als eine bezahlte ärztliche Dienstleistung einfordern. Hinzufügen möchte ich allerdings, das die vorsätzlich herbeigeführte und von langer Hand geplante Selbsttötung, sei es allein oder mit Hilfe anderer, nach wie vor ein schweres Verschulden gegen Gott, gegen sich selbst (und möglicherweise auch gegen Mitmenschen) darstellt.

Die aber, um die es bei dieser Thematik eigentlich gehen muss, sind die anderen; nämlich die, die unversehens – und das wird unvermeidbar eintreten – sich zur Selbsttötung gedrängt fühlen mit dem stillen Hinweis: Bitte, dort ist die Tür! Wenn du nur wolltest, könntest du uns von dir befreien; der Staat selbst lässt es ja zu. Es wäre für uns und die Allgemeinheit so viel billiger und würde uns viel Mühe mit dir ersparen.

Die immer größer werdende Zahl alter Menschen, der Kostendruck im Gesundheitswesen, die wachsende Überforderung von Ärzten und Pflegekräften wird auf Dauer dazu führen, dass „aus dem vermeintlichen Recht, selbst entscheiden zu können, wann man aus dem Leben scheidet, sehr schnell die Verpflichtung wird, dies genau dann ‚zu wollen’, wenn andere dies für ökonomisch geboten halten“ (Rehder, nach Püttmann, Gesellschaft ohne Gott, 139). (Der Bonner Strafrechtler Günther Jakobs hat 2004 vorausgesagt: „Die Ärzte machen das schon. Eine Profession, die keine Probleme damit hat, jährlich rund 200.000 Embryos zu töten, wird auch mit der Tötung auf Verlangen keine unüberwindbaren Probleme haben - vorausgesetzt, die Gebührenordnung stimmt.“ Wobei ich schleunigst hinzufügen will, dass dies im Augenblick noch für eine Minderheit der Ärzte gilt.)

Immerhin haben nach jüngsten Umfragen 37 % aller Ärzte erklärt, sich vorstellen zu können, beim Suizid zu assistieren. Auch wenn Jörg-Dietrich Hoppe für eine entsprechende Änderung des ärztlichen Standesrechts eintritt, ist seine persönliche Überzeugung eine andere. In einem Spiegel-Interview sagte er dazu: „Beihilfe zum Selbstmord ist keine ärztliche Aufgabe.… Ein Arzt muss … genau untersuchen, ob eine Depression vorliegt. Denn in 95 Prozent der Fälle, in denen Ärzte um Suizidbeistand gebeten werden, ist der Patient depressiv. Und fast alle Patienten, deren Depression behandelt wird, halten den Suizidwunsch nicht mehr aufrecht.“

In einem anderen Interview sagte er: „In Holland ist der Damm gebrochen. Da geht man oft über das hinaus, was eigentlich im Gesetz beabsichtigt ist. Mittlerweile gibt es dort nicht wenige ältere Menschen, die Angst haben, durch den gesellschaftlichen und auch verwandtschaftlichen Druck aktive Sterbehilfe an sich vornehmen lassen zu müssen. Diese Ethik geht vom Nützlichkeitsprinzip aus.“ (Aus einer anonymen Befragung unter holländischen Ärzten geht hervor, dass es jährlich Hunderte sind, die ohne persönliche Einwilligung getötet werden; vermutlich zu einem großen Teil auf Wunsch der Angehörigen.)

Inzwischen scheint es so, dass bekennende Christen die einzige gesellschaftliche Gruppe in unserem Land sind, die sich noch gegen dem Trend zum „sozialverträglichen Frühableben“ (Carsten Vilmar) stellen; die sagen: der Umgang mit dem Leid Sterbender muss ein anderer sein als die vorzeitige Entsorgung des Leidenden.

Licht der Welt für unsere Zeit zu sein bedeutet vor diesem Hintergrund sehr konkret: niemals mitzumachen bei der Tötung von Menschen, sei es am Anfang, sei es am Ende des Lebens; wohl aber, sie sterben zu lassen, wenn ärztliche Kunst nicht mehr das Leben, sondern nur noch das Leid eines Menschen verlängert. (Auch wenn es hier eine Grauzone gibt und nicht immer leicht zu entscheiden ist, ob noch medizinische Maßnahmen angezeigt sind oder nicht, müsste es in eindeutigen Fällen ebenfalls zum ärztlichen Standesethos gehören, nicht die ganze medizinische Maschinerie anzuwerfen, sondern einen Menschen in Frieden und in Würde gehen zu lassen.) Licht der Welt sein heißt, sie palliativ und menschlich so zu begleiten, der der Wunsch nach Suizid gar nicht erst aufkommt. 

Licht der Welt sein bedeutet aber auch, Licht in die Maskerade des Bösen zu bringen, d.h. gegen diese neue Barbarei unter dem Deckmantel der Humanität deutlich seine Stimme zu erheben; denn unter der Maske tritt im Allgemeinen der nackte Egoismus zutage. Licht der Welt ist also, wer Kranke und Sterbende begleitet, Schmerzen lindert, Kraft und Trost spendet, ihnen zu verstehen gibt: Du bist nicht allein, ich bin bei dir, halte deine Hand, ich lasse dich nicht allein. 

Licht der Welt ist außerdem, wer als Kranker auch selbst seinem Tod nicht eigenmächtig vorgreift, sondern alles, restlos alles in die Hand Gottes legt, in dem alles, auch das Sterben, selbst ein langes Sterben, einen Sinn bekommt. 

In diesem Sinn wünsche ich allen, die das Sakrament der Krankensalbung empfangen, dass Sie immer solche Menschen an der Seite haben, aber auch wissen, dass ER an Ihrer Seite steht, Gott, Jesus Christus, der uns begleitet in unserem Leben und in unserem Sterben.

Pfr. Bodo Windolf

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