Predigt vom 21. April 2011 (Gründonnerstag)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Gründonnerstag 2011

Die „Demut“ Gottes – groß ist nur, wer es versteht, sich klein zu machen

Ich möchte beginnen mit einem Gedicht, das die Wiener Dichterin Erika Mitterer unter dem Titel „SPÄT“ verfasste.

Wie lange Zeit bin auch ich

durch die Kirchen gelaufen und habe

die Kuppeln bewundert, oder

die strebenden Pfeiler, die Fresken

der Seitenkapelle und ihre

verbleichenden Farben ...

Die glühenden Glasfenster haben

mir Märchen erzählt

von Adam und Eva, oder

dem Fischfang der Jünger.

Wehmut erfüllte mein Herz

um längstvergangene Tage.

Ich sah nicht das Ewige Licht,

das uns den Weg weist

aus dem Nimmer und Nie

in das flammende Immer!

Spät 

habe ich knien gelernt ... 

 

So manchem von uns geht es sicher ähnlich wie der Dichterin: Es ist zunächst einmal die hohe Architektur romanischer, gotischer, barocker oder auch moderner Kirchenbaukunst, die wir bewundern, wenn wir Kirchen besichtigen und auf uns wirken lassen. Vieles von dem, was Menschen geschaffen haben, ist einfach großartig, überwältigend. Man spürt: das Schönste und Wertvollste war und ist gerade gut genug, um Gott in diesen Bauwerken zu ehren. Wobei nicht zu verschweigen ist, dass natürlich immer auch etwas vom Glanz solcher Kunst auf den Künstler und die Städte, die sie beherbergen,  zurückfällt. Vielfach hat man auch sich selbst ein Denkmal gesetzt.

Aber welch einen Kontrast zu solcher Prachtentfaltung bildet die Unscheinbarkeit, mit der Gott uns seine Gegenwart in unseren Gotteshäusern schenkt. Über all diesem anderen sah ich nicht das ewige Licht, das hinweist auf den im Tabernakel gegenwärtigen Herrn so bekennt die Dichterin. Das Zentrum, das Eigentliche – so unscheinbar, so leicht zu übersehen. Aber schließlich entdeckt sie es doch: Spät habe ich knien gelernt. Sie, die nicht zuletzt wegen der Eucharistie als evangelische Christin den Weg in die katholische Kirche fand, macht die Erfahrung: der Mensch wird erst wirklich groß, wenn er lernt, die Demutsgeste Gottes, die Demutsgeste Christi, nachzuahmen. Wer anbetend vor Christus kniet, kniet vor dem, dessen Weg es war, sich immer kleiner zu machen.

Genau das geschieht im Abendmahlssaal und den darauffolgenden Tagen. Das öffentliche Auftreten Jesu, bei dem er teils gefeiert, teils angefeindet wurde, liegt endgültig hinter ihm. Er ist nur noch mit seinen engsten Freunden beisammen. Nur mit ihnen will er diesen letzten Abend seines Lebens verbringen. 

Die bestürzende Geste, mit der er sich zu ihnen hinunterbeugt, zeigt Jesu Bereitschaft: Ich bin mir nicht zu schade, Sklavendienste an euch zu verrichten. Er weiß, dass er auch dem Verräter, Judas, die Füße wäscht. Und Petrus, der ihn verleugnen wird. Und den anderen, die ihn feige im Stich lassen werden. Gott beugt sich herunter zu uns Menschen, damit es uns, den Stolzen, leichter falle, uns vor ihm zu beugen; uns von ihm neu machen zu lassen; demütiger, und doch gerade darin groß, weil auch Gott seine eigentliche Größe im Kleinwerden offenbart.

Petrus, der zunächst verständnislos Abwehrende, versteht diese Geste schließlich doch. Er wird sich mit Tränen der Reue in seine Arme werfen und so restlose Verzeihung erlangen. Judas, das ist seine Tragik, versteht sie nicht, hat Jesus in seinem Innersten nie verstanden. Auch er bereut, wie Petrus, aber in einer Haltung der Verzweiflung, die sich nicht fallen lässt in die am Kreuz ausgestreckten Arme seines Opfers. Auch Verzweiflung ist eine Form des Stolzes; nämlich die Weigerung, die eigene Schuld zu bekennen und sie als kleiner anzusehen als jene Liebe, die alles, restlos alles zu verzeihen bereit ist, wenn, ja wenn wir nur bitten.

Diesen Stolz zu heilen macht Gott sich in Christus kleiner und immer noch kleiner, so beim anschließenden Mahl. Christus beugt er sich hinein und hinunter in ein kleines Stückchen Brot. Dies ist mein Leib, hingegeben für euch. Dies ist mein Blut, vergossen für euch und zur Vergebung eurer Sünden. Er will uns Menschen nicht überwältigen, er will uns gewinnen; mit seiner Gesinnung, mit seiner Demut, mit seiner Bereitschaft zum Dienst in uns sein und uns erfüllen. 

Freilich gelingt dies nur, wenn wir ihn in der hl. Kommunion gläubig empfangen. Wer nach vorne tritt und meint, nur ein Stückchen Brot zu empfangen und nicht wirklich ihn selbst; wer es ohne die innere Bereitschaft tut, ihm als unserem Erlöser und Herrn wirklich zu folgen, wer es ohne innere Dosposition tut – bei dem geschieht im besten Falle nichts; oder, was Paulus mit großem Ernst schreibt, ein solcher isst und trinkt sich vielleicht sogar  das Gericht.

Selbstkritisch schreibt Papst Benedikt, damals 2005 noch Kardinal Ratzinger, in einer Betrachtung zum dritten Fall Jesu auf seinem Kreuzweg: Müssen wir nicht auch daran denken, wie viel Christus in seiner Kirche selbst erleiden muss? Wie oft wird das heilige Sakrament seiner Gegenwart missbraucht, in welche Leere und Bosheit des Herzens tritt er da oft hinein? Wie oft feiern wir nur uns selbst und nehmen ihn gar nicht wahr? Wie oft wird sein Wort verdreht und missbraucht? Wie wenig Glaube ist in so vielen Theorien, wie viel leeres Gerede gibt es? Wie viel Schmutz gibt es in der Kirche und gerade auch unter denen, die im Priestertum ihm ganz zugehören sollten? Wie viel Hochmut und Selbstherrlichkeit? Wie wenig achten wir das Sakrament der Versöhnung, in dem er uns erwartet, um uns von unserem Fall aufzurichten? All das ist in seiner Passion gegenwärtig. Der Verrat der Jünger, der unwürdige Empfang seines Leibes und Blutes, muss doch der tiefste Schmerz des Erlösers sein, der ihn mitten ins Herz trifft. Wir können nur aus tiefster Seele zu ihm rufen: Kyrie, eleison - Herr, rette uns (vgl. Mt 8, 25).

Das Kreuz ist der letzte Schritt Jesu hinein in ein restloses Kleinwerden, in eine Erniedrigung, die zugleich Verbergung wie Offenbarung Gottes ist. Wer sollte in einem als Verbrecher Verurteilten, Verspotteten, Gedemütigten, Gefolterten, Gekreuzigten noch Gott erkennen? Und doch zeigt Gott genau so sein tiefstes Wesen: nämlich restlose Hingabe für das Lebenkönnen anderer, für das Leben der Welt.

Genau dieser Weg – und, nicht zu vergessen, seine Überwindung in der Auferstehung Jesu, ist in der unscheinbaren Gabe der Eucharistie gegenwärtig. Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit, beten wir nach der Wandlung.

Dieser Tod war der Preis für das Sakrament der Liebe Gottes, der bis ins Letzte gehenden Liebe Gottes. Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zur Vollendung.

Weil die ganze sich hingebende und verschleudernde Liebe Jesu in diesem unscheinbaren Stückchen Brot enthalten ist, weil er selbst sich uns darin gibt, darum ist uns Katholiken die Eucharistie so wertvoll, darum verehren wir sie, darum beten wir sie an.

Ich sah nicht das Ewige Licht,

das uns den Weg weist

aus dem Nimmer und Nie

in das flammende Immer!

Spät

habe ich knien gelernt ...

Bitten wir, dass uns der Empfang dieses Sakramentes heute und immer wieder verwandle, dass wir ihm ähnlicher werden, der sich uns darin so verschwenderisch schenkt.

Pfr. Bodo Windolf

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