Predigt vom 15. Mai 2011 (Woche für das Leben)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Zur Woche für das Leben 2011

Gehsteigberatung – Abtreibung – Folgen – Wege der Heilung

Vor sechs Jahren, am 2. April 2005, ging das zweitlängste Pontifikat der Kirchengeschichte zu Ende. Papst Johannes Paul II. verstarb am Vorabend des Weißen Sonntags, dem er selbst zusätzlich den Namen Barmherzigkeitssonntags verliehen hatte. Morgen, passenderweise am Barmherzigkeitssonntag diesen Jahres, wird ihn sein Nachfolger Papst Benedikt selig sprechen. Ich bin sicher, dass ich im Sinne dieses großen polnischen Papstes handle, wenn ich statt einer Würdigung seiner Person in dieser Predigt eines seiner größten Herzensanliegen thematisiere, nicht zuletzt auch in Hinblick auf die kommende „Woche für das Leben“.

Papst Johannes Paul sagte einmal: „Vielleicht hat mir Gottes Vorsehung gerade deshalb den Stuhl des heiligen Petrus anvertraut, damit ich an der Schwelle zum dritten Jahrtausend ein leidenschaftlicher Anwalt des Lebens sei. Ich, der ich von Jugend an erleben musste, wie in einem besonders dunklen Kapitel der Geschichte dieses geplagten Jahrhunderts unweit meiner Heimatstadt Wadowice menschliches Leben mit Füßen getreten und systematisch vernichtet wurde.“ 

Wie kaum ein anderer Mensch des vergangenen Jahrhunderts trat Johannes Paul an unzähligen Orten dieser Welt für die Menschenrechte ein; und dabei besonders für das erste der menschlichen Grundrechte: für das Recht auf Leben vom Anfang bis zum Ende. Noch einmal O-Ton Johannes Paul: „Die Kirche muss auch heute mit Nachdruck, Klarheit und Geduld eintreten für das Lebensrecht aller Menschen, vor allem der noch ungeborenen und deshalb besonders schutzbedürftigen Kinder; sie muss eintreten für die uneingeschränkte Geltung des 5. Gebotes: ‚Du sollst nicht töten!‘ Entgegen aller Wortkosmetik und Reflexionsverweigerung ahnen doch wohl die Allermeisten: Abtreibung ist bewusste Tötung von unschuldigen Menschen.“ (Predigt beim 2. Pastoralbesuch in Deutschland vom 30. April bis 4. Mai 1987)

Statt in allgemeiner Weise über dieses bedrückende Thema zu sprechen, möchte ich heute einfach Menschen zu Wort kommen lassen, die auf sehr unterschiedliche Weise davon betroffen waren und sind.

Doch zuvor ein Hinweis: Am 19. Mai wollen wir hier in Garching zur Woche des Lebens einen Film zeigen, der die sog. Gehsteigberatung des „Münchener Lebenszentrums“  dokumentiert. Diese Gehsteigberatung findet seit  dem Jahr 2000 regelmäßig in der Fäustlestraße Nähe Donnersbergerbrücke vor der größten Münchener Abtreibungsklinik statt. Jährlich werden hier ca. 4000 Abtreibungen vorgenommen. Frauen und Paare, die auf dem Weg in die Abtreibungsklinik sind, werden von den Lebensschützern angesprochen und man versucht, einfach mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es sind natürlich die Wenigsten, die sich auf ein Gespräch einlassen, aber immerhin sind es 300 bis 500 Kinder, die im Verlaufe der Jahre gerettet werden konnten. Der Film zeigt, wie überglücklichen Müttern durch Zuhören, durch gemeinsames Ringen, durch konkrete Hilfe eine Perspektive mit Kind aufgezeigt werden konnte. 

Das Landgericht München I hatte 2006 eine Klage Stapfs gegen die Gehsteigberatung zurückgewiesen. Allerdings ist am vergangenen 31. März aufgrund einer absolut tendenziösen und manipulativen Darstellung der Sendung „Kontraste“ ein Bescheid des Münchener Kreisverwaltungsreferats ergangen, der die weitere Gehsteigberatung untersagen möchte. Noch ist offen, ob dieser Bescheid bestehen bleiben wird. Viele Blogger im Internet haben sich zugunsten der Gehsteigberatung ausgesprochen. Um ein wenig teilnehmen zu lassen am Schicksal von Frauen und ihrer Not und ihrem Glück, möchte ich eine von ihnen zitieren:
Hildegard M. (38, selbständige Geschäftsfrau, Deutsche) „Ich hatte schon zwei Kinder als allein­erziehende Mutter, als ich schwanger wurde. Ich war fest überzeugt, ich kann kein drittes Kind mehr großziehen. Als ich meine Situation bei der gesetzlichen Konfliktberatung schilderte, bekam ich nach einer viertel Stunde den Schein. Keiner, weder mein Frauenarzt, noch die Bera­tungsstelle, haben mich genau aufgeklärt, was Abtreiben eigentlich bedeutet. Deshalb dachte ich, es ist wie eine normale Operation. Erst als mir der sehr freundliche junge Mann vor der Abtrei­bungsklinik Informationsmaterial und ein Embryo-Modell überreichte, wurde mir bewusst: Das ist ein schwerwiegender Eingriff! Stundenlang lief ich erschüttert durch die Stadt bis ich irgend­wann einfach in dieses Lebenszentrum ging. Ich war so in Not - ich musste mit jemandem reden. Ursula Metsch hat sich sehr viel Zeit für mich genommen. Danach war Abtreibung keine Alter­native mehr!“ 

Zu denen, die in das Abtreibungsgeschehen eingebunden sind, von denen aber so gut wie kaum die Rede ist, gehören auch die Ärzte. Hier das, wie ich finde, erschütternde Zeugnis eines von ihnen:
„Morgen ist der Stichtag, an dem ich mir im Laufe der letzten Jahre vornahm, die Entscheidung zu treffen: Mache ich weiter als Abtreibungsarzt für pro familia oder nicht? Morgen. Nicht vorher. Nicht nachher. Morgen entscheide ich mich. Endlich! Seit zweieinhalb Stunden brüte ich: Wie schreibt man etwas auf, das man getan hat? Noch tut? Wenn man das, was man tut, mittlerweile hasst? Noch dazu mit der Überzeugung lebt, dass es eigentlich egal ist, ob ich es tue. Denn wenn ich es nicht tue, tun es andere. Dann kann ich es doch auch tun?! … Mein bester Freund, der hat sich damals nicht beworben, um Abtreibungen zu machen, der hat damals schon gesagt, dass er so etwas nie machen würde, ihm reicht, was während der Ausbildung verlangt wurde, da war er nahe daran, alles hinzuschmeißen, er hat gekotzt und geheult nach seiner ersten Ausschabung und am ganzen Körper gezittert. Ich nicht. … Es kann auch sein, dass mir das Töten der Kinder Spaß machte. Es war auch irgendwie faszinierend, Herr über Leben und Tod zu sein. Es ist ja, wenn ich so darüber nachdenke, die denkbar größte Macht, die ich haben kann. … Ich sah immer zu, dass alles sauber ablief, damit keine Unruhe aufkommt. Ich schaute kurz auf das Blatt, damit ich sehen konnte, wie viele Abtreibungen heute dran sind. Dann ging ich nach nebenan, um mit den Frauen zu sprechen, wie es abläuft. Ich arbeitete nach der Devise: Ich bin nur derjenige, der ausführt, was andere zu verantworten haben. … Ich mochte sie nicht, alle diese ‚ungewollt Schwangeren’, aber eigentlich ist das zu viel gesagt. Sie waren mir gleichgültig. Sie kommen wie die Schlachttiere und so gehen sie auch wieder. … Was ich mir wünsche? Vielleicht sollte ich mir wünschen, dass der tägliche Alptraum nicht mehr wiederkommt. Wie ich in den Keller steige und weiß, was mich erwartet, wenn ich um die Ecke gehe und das Stöhnen der getöteten Kinder höre. … Nun also, dann entscheide ich mich endlich: Ich werde keine einzige Abtreibung mehr machen. Sieben Jahre habe ich dazu gebraucht.

Wer sind die Opfer? Nicht nur das Kind, oft auch die am wenigsten Schuldigen, die Frauen, weil sie zur Abtreibung gedrängt werden, von Beratungsstellen oft gar keine echte Beratung erfahren oder keine Unterstützung aus ihrem Umfeld bekommen. Post Abortion Syndrom werden die psychischen Belastungen genannt, die unzählige Frauen manchmal jahrelang mit sich herumschleppen: unbegründetes Weinen, Angstzustände, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken und –versuchen, Scham-, Schuld-, Reuegefühle, Gefühle des Beschmutztseins, Verlust des Selbstwertgefühls, Absterben des Gefühlslebens, Hass- und Ekelgefühle gegenüber der Sexualität, Hass gegen den Kindsvater – alles Gefühle, die oft und besonders heftig zum errechneten Geburtstermin, zum Jahrestag der Abtreibung, bei Ehekrisen, ganz massiv im Klimakterium, immer wieder auch auf dem Sterbebett auftreten.

Die dritten, in der Regel vergessenen Opfer müssen noch erwähnt werden: die Väter.  Oft wissen sie nicht, dass der Tod des abgetriebenen Kindes Grund für eigene massive seelische Probleme sein kann. 

Ein letztes, das mir sehr wichtig ist: Die seelischen Folgen einer Abtreibung sind kein unabwendbares Schicksal. Es gibt – inzwischen auch in Deutschland, in Amerika schon viel länger – die Selbsthilfegruppen Rahel, in der betroffene Frauen sich austauschen und einander helfen. 

Vergebung ist ein anderer ganz wichtiger Schlüssel, um damit selber fertig werden und wieder Frieden finden zu können. Schon öfter habe ich mit Betroffenen eine „Feier der Verabschiedung“ gefeiert. Sie vollzieht sich in einer sehr einfachen Form. Ich bitte die Mutter, dem Kind einen Namen zu geben (immer ein Mädchen- und Jungenname, da das Geschlecht ja unbekannt ist). Ich biete eine Beichte an, anschließend, nach dieser an Gott gerichteten Bitte um Vergebung und eingebettet in eine kleine gottesdienstliche Feier (nur die Mutter und ich), wendet sich die Mutter an das Kind und bittet auch dieses um Verzeihung. Schließlich drückt sie in einem weiteren Gebet aus, dass sie bereit ist, das Kind loszulassen und ganz in Gottes Hände zu übergeben. 

Schließen möchte ich mit einem Zitat des James-Bond-Darstellers Pierce Brosnan, der selber 5 Kinder hat und der es als einen  Rat an Väter formuliert hat „Du musst das Leben im Mutterleib pflegen. Du musst den Kindern im Mutterleib vorsingen und mit ihnen reden. Sie sind Geschenke Gottes.“

Pfr. Bodo Windolf

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