Predigt vom 18. September 2011 

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Mein Berufungsweg
(Predigt zur Feier des  50.  Geburtstages Sept. 2011)

Wenn ich mich selbst vor dem Hintergrund des gehörten Gleichnisses beschreiben sollte, so könnte ich es einmal so formulieren: Ich bin ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn, vielleicht nicht gleich der ersten Stunde, aber sagen wir des frühen Vormittags, mit einem Faible für die Arbeiter der 11. Stunde.

Damit habe ich mich selbst als das Thema dieser Predigt eingeführt, was man von dieser Stelle aus eigentlich nicht tun sollte. Ich wage es dennoch, weil ich mein Leben, meinen Lebensweg, meine Berufung als ein ganz und gar unverdientes Geschenk, als reine Gnade empfinde. Und ich möchte Gott danken – und natürlich neben ihm vielen anderen Menschen – und, wenn ich es so sagen darf, Ihm die Ehre geben, wenn ich ein wenig beschreibe, wie Er mein Leben geführt und in meinem Leben gewirkt hat. 

Es war irgendwann recht bald nach der Hochzeit meiner Eltern im Okt. 1960, dass ich gezeugt wurde. Der Beitrag meines Vaters, mit 31 Jahren schon gesetzteren Alters, jedenfalls aus der Sicht meiner blutjungen gerade 20jährigen Mutter, hat nicht ganz so viel Mühe bereitet wie der meiner Mutter, die mich, wie ja inzwischen allseits bekannt, etwa 9 Monate später am 2. Aug 1961 als den vermeintlichen Stammhalter unserer Familie gebar.

An dieser Stelle will ich meinen Eltern einfach Dank sagen, dass sie mir das Leben geschenkt haben. Ich empfinde das Leben als ein großartiges Geschenk, die erste, unendlich kostbare Gabe des Schöpfers an mich, übermittelt durch die, die ich Mama und Papa zu nennen gelernt habe. Nach drei weiteren schnell nacheinander geborenen Geschwistern – mit 25 Jahren hatte meine Mutter vier Kinder „an der Backe“ – und schließlich einem Nachkömmling 16 Jahre nach meiner Geburt, wuchsen wir zu 5 Geschwistern auf. Die Gabe mehrere Geschwister ist nicht die geringste meines Lebens.

Unsere Mutter war daheim und sorgte für uns. Erlauben Sie mir hier einen kurzen Ausflug in die Tagespolitik: Erst kürzlich habe ich wieder in irgendeiner Zeitung lesen müssen, wie, verzeihen Sie, irgendein Schmierfink diese Frauen und damit auch meine Mutter als „Heimchen am Herd“ denunziert hat. Nun ja, immerhin hat sie damit fünf seelisch ziemlich stabile, inzwischen steuerzahlende Menschen ins Erwerbsleben entlassen.

Jüngste Zahlen zeigen, dass es inzwischen in der Mehrzahl seelische Erkrankungen sind, die Arbeitsbeeinträchtigungen bis hin zu Arbeitsunfähigkeit verursachen. Alle Ergebnisse der modernen Bindungsforschung zeigen, wie entscheidend für die seelisch gesunde Entwicklung eines Kindes die ersten drei Lebensjahre sind. Die Kinder brauchen liebevolle und dauerhafte Nähe derselben Person: körperliche und seelische Nähe. Von null bis drei Jahren muss noch nicht mit Hilfe öffentlicher Betreuung das Einserabitur grundgelegt werden; vielmehr gilt es, den Lebenstank aufzufüllen mit Geborgenheit, Sicherheit, Verlässlichkeit. Dieser Lebenstank enthält die Ressourcen für eine gute Entwicklung unserer kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten.

Mir ist bewusst, dass es z.B. für Alleinerziehende oder Paare, bei denen ein Einkommen nicht reicht, Krippenplätze geben muss. Was ich kritisiere, ist die derzeitige Familienpolitik, Verzeihung: Arbeitsmarktpolitik unter dem Deckmantel der Familienpolitik, die einseitig und forcierend auf möglichst frühe Fremdbetreuung setzt und so vorsätzlich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse konterkariert. Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass dies, sicher nicht bei allen, aber bei immer größeren Teilen der kommenden Generationen schlimme seelische Folgen zeitigen wird. Es ist wie in großen Teilen der Wirtschaft: Fixierung auf die kurzfristige Rendite zuungunsten einer langsameren, aber gesunden, langfristigen Entwicklung.

Zurück zu mir, Sprung zum Religionsunterricht am Gymnasium. Er war nicht gut, er hat mich zum Widerspruch gereizt – und paradoxerweise gerade so mein Interesse geweckt an der intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Glauben, gut aufgegriffen in unzähligen Gesprächen mit den Eltern daheim. Und so schreibt Gott auf ungeraden Linien grade: ein Religionslehrer, der permanent gegen die Kirche anredete – was ich schon als Jugendlicher unanständig fand; man fällt dem eigenen Auftraggeber nicht in den Rücken – war mit Schuld, dass ich Arbeiter im Weinberg der Kirche wurde.

Daneben gab es das kurze, aber nachhaltig positive Beispiel eines Priesters, der gar nicht weiß, wie sehr er mich in einer einzigen Woche einer Gemeindemission im Dorf, in dem ich aufwuchs, beeindruckte mit seiner Fröhlichkeit, seiner Überzeugungskraft, seinen guten Predigten. Bei ihm habe ich erstmals richtig zugehört.  

Mit ca. 20 Jahren – es war noch ziemlich am Anfang meines Musikstudiums – eines der tiefsten Erlebnisse meines Lebens, ein ganz kurzer Augenblick, bis heute tief eingebrannt in meine Seele. Ich hörte durch einen anderen Menschen, wieder einen Priester, die Stimme des Gutsbesitzers aus dem heutigen Evangelium: Es war ein Berührtwerden durch den rufenden Gott, wie ich es seitdem nie wieder erfahren habe. Aber es ist bleibende und fortwirkende Quelle bis an mein Lebensende.

Dennoch war in mir die Frage, weil ich ein eher nüchterner Typ bin: War es Selbsttäuschung? Drei Jahre habe ich noch gebraucht, um Klarheit zu finden. Eine lange innere Zerrissenheit wich allmählich einem tiefen inneren Frieden: Ja, das ist dein Weg. Was ich gelernt habe in dieser Zeit? Gott antwortet, wenn man Ihn ehrlich und beharrlich fragt. Aber manchmal lässt Er sich schon sehr viel, ungemütlich viel Zeit.

Der Zölibat: Lange und immer wieder habe ich mir sehr gut vorstellen können, eine Familie zu gründen. Dabei war mir aber immer klar: Wenn Priester, dann ganz, mit innerer Bejahung auch dieser Lebensform.

Auf allen weiteren Stationen nach beschleunigter Beendigung des Musikstudiums bin ich Menschen begegnet, denen ich viel, viel zu verdanken habe: während des Studiums in Heiligenkreuz bei Wien und dann in München, im Pastoralkurs in Teisendorf, als Kaplan in Gauting St. Benedikt unter Pfr. Haberl und später in St. Margaret in München unter Pfr. Königbauer, inzwischen 12 Jahre als Pfarrer hier in Garching St. Severin. Allen, die mir in all diesen Jahren ihre Liebe, ihre Sympathie, ihr Wohlwollen, ihre Kritik, ihr Beispiel und ihren Beistand geschenkt haben, möchte ich von ganzem Herzen danken. Gott begleitet und beschenkt uns auch und gerade durch Menschen.

Auf diese Weise habe ich Kirche im besten Sinn des Wortes immer wieder erfahren dürfen. Und in dieser Kirche, nicht in irgendeiner erträumten, sondern in dieser konkreten Kirche mit dem Reichtum und der Last ihrer Geschichte, mit den Stärken und den Schwächen ihrer Glieder, möchte ich auch in Zukunft meinen Dienst tun.

Viele kehren ihr den Rücken. Viele prügeln auf sie ein wie auf einen alten verstaubten Teppich. Wer dies tut, gilt als kritisch und aufgeklärt und darf sich zugleich des Beifalls der Menge gewiss sein. Wie praktisch. All das ist nicht mein Ding. Ich kenne und sehe die Schwächen, die es in der Kirche gibt, sehr wohl,

nicht zuletzt, weil ich meine eigenen zumindest einigermaßen kenne und sehe.

Dennoch, die Kirche, insbesondere die katholische, ist einer der letzten noch nicht gleichgeschalteten Fremdkörper im Mainstream unserer Gesellschaft. Und das ist vielen außerhalb und leider auch in der Kirche ein Dorn im Auge. Neben sehr, sehr vielem Guten in unserer Gesellschaft, auch außerhalb der Kirche, gibt es eine selbstzerstörerische Tendenz zur Banalisierung und Kommerzialisierung fast aller Lebensbereiche und zuletzt des Menschen selbst. Eine sich selbst säkularisierende und in allem anpassende Kirche macht sich selbst überflüssig. Sie hat eine Daseinsberechtigung nur dann, wenn sie ein echtes Alternativprogramm vom Evangelium her bietet: d.h. Gott und die Frage nach Ihm gegenwärtig hält und betend, dankend, bittend, preisend, anbetend Gott einlässt gerade da, wo er durch Gleichgültigkeit abwesend geworden ist. Nicht die große Zahl, sondern die treu gelebte Berufung als Getaufter, als Christ, als Katholik an der Stelle im Weinberg, an die der Gutsbesitzer, an die Gott einen jeden von uns berufen hat, das macht Kirche zu wahrer Kirche Jesu Christi.

Dass ich in dieser Kirche in unserer Zeit an diesem Ort hier in Garching meinen Dienst als Priester tun darf, ist die Freude meiner 50 Jahre. An dieser Freude wollte ich Sie in großer Dankbarkeit teilhaben lassen. Auch darum dieses Fest.

Pfr. Bodo Windolf

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