Predigt vom 2. Oktober 2011 (Erntedank)

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Geistliche und irdische Früchte in unserem Leben

Erntedank (27. Sonntag i. J.)   2011

Wenn man zusammenfassen wollte, was Jesus mit dem gehörten Gleichnis ausdrücken möchte, so könnte man sagen: Nichts, aber auch gar nichts hat Gott unversucht gelassen, sein Volk zu rufen, an sich zu binden, den Weg des Heils zu gehen. Die Lesung aus dem Buch Jesaja, in der dieselbe Thematik anklingt, hat es noch inniger ausgedrückt. Es ist geradezu wie das Liebeswerben eines Liebenden um die Geliebte, eines Bräutigams um seine Braut, aber immer war es letztlich vergeblich. Getötet haben sie all jene, die Gott gesandt hat. Zuletzt werden sie auch noch den letzten Versuch Gottes vereiteln, als er ihnen, hoffend gegen alle Hoffnung, sein Liebstes, sein Ein und Alles, nämlich den eigenen Sohn sendet. Auch ihn werden sie töten. Es ist das einzige Gleichnis aus dem Mund Jesu, in dem er sich selbst und sein bevorstehendes Schicksal thematisiert.

Dies mag Anlass sein, die Worte Jesu nicht nur ihrer sachlichen Bedeutung nach zu beleuchten, sondern hinter sie zu schauen und zu fragen, ob sie nicht etwas vom Inneren Jesu preisgeben, das in ihnen anklingt.

Unmittelbar vorausgegangen war der triumphale Einzug Jesu in Jerusalem, dann die Tempelreinigung, bei der er die Händler vertreibt und die Tische der Geldwechsler umstößt. Die Reaktion der jüdischen Autoritäten lässt nicht lange auf sich warten. Sie stellen ihn zur Rede und fragen, mit welchem Recht und welcher Vollmacht er eigentlich so Unerhörtes tue. Jesus gibt keine Antwort, weil er spürt, mit welchem Hass und mit welcher Ablehnung ihm begegnet wird. Wenn er es nicht vorher schon ahnte oder wusste, dann spätestens jetzt. Auch der Jubel so mancher Anhänger konnte ihn darüber nicht täuschen: In seinem Anliegen, Israel als Gottesvolk neu zu sammeln, auf dass seine Botschaft ankomme und nicht nur gehört, sondern gelebt würde, war er gescheitert. Er wusste und spürte, dass er für viele aus seinem eigenen Volk ein solcher Dorn im Auge war, dass man alles daran setzen würde, ihn zu beseitigen. Im Schicksal vieler Propheten vor ihm sah er sein eigenes vorgezeichnet. In diesem Augenblick ist sein eigenes Inneres sicher schon überschattet und verdunkelt durch die bald bevorstehende Passion.

Ab jetzt müssen wir nun aber sehr genau hineinhorchen in das Gleichnis. Vor allem dürfen wir es nicht herauslösen aus dem Gesamtkontext des Evangeliums, in dem es steht.

Zunächst hören wir, dass Jesus nicht selbst über die Konsequenzen eines so unerhörten Verhaltens wie das der Pächter aufklärt, sondern er fragt seine Zuhörer. Was wird wohl der Besitzer des Weinbergs anstellen mit Pächtern, die zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen nicht einmal vor dem Sohn ihres Arbeitgebers Halt machen. Die Antwort, die ihm gegeben wird, benennt das menschlich Erwartbare. Solch böses Verhalten wird mit drastischer Bestrafung und Entzug der anvertrauten Güter geahndet.

Wie reagiert Jesus? Zunächst weder bestätigend noch verneinend. Er zitiert die hl. Schrift, genauer einen Psalmvers: Habt ihr nie in der Schrift gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden; das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder. Das Wunder besteht darin, dass Gott nicht menschlich wie die Zuhörer Jesu, sondern göttlich reagiert. Die ungeheuerlichste menschliche Freveltat zieht eben nicht Strafe nach sich, sondern wird kraft der noch viel größeren göttlichen Liebe Jesu verwandelt in Heil, in Erlösung. Sein versöhnendes Wort am Kreuz: Vater, vergib ihnen …, gilt den Tätern, dem jüdischen Volk insgesamt, ja allen Menschen. Diese absolut unerwartbare Wendung, die das Gleichnis in dem Augenblick nimmt, als es am Karfreitag Wirklichkeit wird, muss man sehen und bedenken, um den nachfolgenden Satz recht deuten zu können. Ich sage euch: Das Reich Gottes wird euch weggenommen und einem Volk gegeben werden, das die erwarteten Früchte bringt.

Diese Schlussfolgerung aus dem Munde Jesu selbst ist, weil aus dem Kontext gerissen, immer wieder sehr verhängnisvoll ausgelegt worden, nämlich in einem antijudaistischen Sinn. Die Juden hätten Jesus, Gottes Sohn, getötet und seien deshalb von Gott verworfen worden, ihnen sei das Erbe weggenommen und den Christen übergeben worden; an die Stelle der Synagoge sei die Kirche getreten. Die Folgen solcher Interpretationen bis hin zum Gottesmordvorwurf an die Juden gehören leider Gottes zu den ganz schlimmen Verirrungen der Kirchengeschichte, übrigens über alle Konfessionsgrenzen hinweg. Wir dürfen uns glücklich schätzen, in einer Zeit zu leben, in der die Kirche solches Denken, nicht zuletzt unter dem Eindruck des Holocaust, überwunden hat.

Nein, Jesu Wort muss anders gedeutet werden: die Ablehnung seiner Person, vor seinem Tod, entscheidender noch nach seinem Tod, kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die Urspaltung in der Christenheit ist nicht die innerhalb der Christenheit, sondern die zwischen Judentum und Christentum, die zwischen Synagoge und Kirche. Wobei zu beachten ist, dass es keineswegs die Juden sind, die Jesus verwarfen, sondern nur Teile von ihnen. Viele unter ihnen sind ja vor Jesu Tod und werden nach seinem Tod zu seinen Anhängern und bilden somit die Urzelle der Kirche.

Das führt nun zu einem letzten Gedanken über das gehörte Gleichnis. Es wäre gänzlich verfehlt, es nur an die jüdischen Adressaten gerichtet zu sehen. Matthäus überliefert es, weil es auch eine Botschaft und Mahnung an die Kirche enthält. Auch diese ist in Gefahr, die Getauften sind es, nicht die Früchte zu bringen, die Gott erwartet.

An dieser Stelle möchte ich zum Stichwort Früchte des Weinbergs, als Bild für die von Gott erwarteten geistliche Früchte einen Vergleich einfügen, der eine Brücke zum heutigen Erntedankfest schlagen kann. Eine kürzlich veröffentlichte Studie (die SAVE FOOD Studie von Toppits® der Cofresco Frischhalteprodukte GmbH & Co. KG) zeigt, dass Haushalte in Deutschland und Europa durchschnittlich mehr als 20 Prozent der eingekauften Lebensmittel wegwerfen. Allein in Deutschland sind dies jährlich 6,6 Millionen Tonnen an Nahrungsmittelabfällen – das entspricht rd. EUR 25 Milliarden Ausgaben für Lebensmittel, die nicht verzehrt werden. Wenn man das, was von Lebensmittelgeschäften, Hotels, Restaurants etc. weggeworfen wird, hinzunimmt, kommt man wohl auf die Zahl, die Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) kurz vor dem Weihnachtsfest genannt hat, um damit das massenhafte Wegwerfen von Lebensmitteln anzuprangern. Rund 20 Millionen Tonnen Essen werden in Deutschland pro Jahr auf den Müll geworfen, sagte Aigner der „Saarbrücker Zeitung“. Hochgerechnet landen also Jahr für Jahr in Deutschland Lebensmittel im Wert von ca. 70-80 Milliarden Euro im Müll.

Ich kann mir hier eine Bemerkung am Rande nicht verkneifen. Wie oft war im Zusammenhang mit dem kürzlichen Papstbesuch davon die Rede, wie viel dies alles koste und wie viel Gutes die Kirche doch damit tun könne. Ob es anständig ist, einem Gast, der sich nicht selbst eingeladen hat, sondern eingeladen wurde und dessen Besuch auch deswegen teuer ist, weil er zu den gefährdetsten Personen der Erde gehört, sei einmal dahin gestellt. Aber gemessen an dem, was wir wegschmeißen, waren diese Kosten  Peanuts. Überlegen wir daher lieber einmal, wie viel Gutes wir tun könnten, wenn wir nur das einkaufen, was wir verzehren, und den Wert dessen, was wir immer wieder wegwerfen, spenden. Wie viel Hunger auf der Erde könnte damit gestillt werden!

Zurück zum Gleichnis: Es gibt die Früchte der Erde, die uns das irdische Leben erhalten. Es gibt die geistlichen Früchte, die Ausdruck des göttlichen Leben in uns sind. Für die Früchte der Erde wollen wir heute besonders danken, um die geistlichen Früchte eines überzeugt und überzeugend gelebten christlichen Lebens wollen wir heute besonders bitten.

Pfr. Bodo Windolf

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