Predigt vom 8. Januar 2012

St. Severin Garching

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Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching 
Predigttext

Gottesliebe und Heiligkeit
(Taufe des Herrn und Patrozinium St. Severin am 8. Januar 2012)

Was macht einen Heiligen zu einem Heiligen, ob er nun Severin heißt, Franziska, Franziskus, Katharina oder wie immer? Ist ein Heiliger ein moralischer, asketischer, spiritueller Hochleistungssportler? Ist es das, was er auf einem oder mehreren dieser Gebiete leistet, was ihn zu einem Heiligen qualifiziert?

Nicht wenige stellen sich in etwa das unter einem Heiligen vor, und doch handelt es sich dabei um ein grundlegendes Missverständnis. Zum einen: Christliche Heiligkeit ist nicht etwas, das nur einige wenige Auserwählte angeht, nicht aber die sogenannten „normalen“ (Durchschnitts-)Christen, sondern es ist eine Berufung für alle Getauften. Zum anderen: christliche Heiligkeit besteht nicht zuerst im aktiven Erbringen irgendwelcher religiöser Leistungen, sondern sie beginnt mit einer Haltung des Empfangens, des Offenseins. Wofür? Für das, was der wichtigste Satz des heutigen Evangeliums ausdrückt: Du bist mein geliebter Sohn. Dieser Satz, damals vor 2000 Jahren aus dem über Jesus geöffneten Himmel erklingend, ist bei unserer eigenen Taufe einem jeden von uns zugesagt worden. Du bist mein geliebter Sohn, Du – meine geliebte Tochter, Ihr alle – meine geliebten Kinder.

Glauben wir das? Glaube ich das? Und wenn ja, lebe ich so, dass dieser Glaube in und an mir sichtbar wird?

Eine Selbsterforschung, eine Gewissenserforschung, ob ich wirklich als Christ lebe, müsste sich als allererstes genau diese Frage stellen. Lasse ich es zu, glaube ich es, Gottes geliebtes Kind zu sein? 

Wir sind gewohnt, andersherum zu fragen: Was tue ich, um mich als Christ auszuweisen und zu bewähren? Das ist nicht ganz falsch, aber nennt das Zweite vor dem Ersten. Ich bin sicher, dass es so manche auch unter den Frommen gibt, die beten, die in die Kirche gehen, die anständig sind, die Gutes tun – die aber noch nie das Wort aus dem Munde Gottes an sich herangelassen haben: Ich Gott, ich Jesus – liebe dich. Christsein beginnt da, lebendig zu werden, wo ein Mensch unaufhörlich gleichsam unter dem geöffneten Himmel lebt und die in der Taufe geschenkte Liebeserklärung des Dreifaltigen Gottes in sein Herz und sein Leben aufnimmt.

Die Tragik unzähliger Menschen besonders auch unserer Zeit ist, dass sie wie unter einem verschlossenen Himmel leben. Vielleicht gibt`s da oben noch irgendetwas Höheres, kann man viele sagen hören, aber es dringt nicht durch bis auf die Erde, hat mit meinem Leben einfach nichts zu tun. Die Himmelsdecke scheint verschlossen und soll es im Grunde auch bleiben; denn ich will ja hier mein eigenes, autonomes Leben leben.

Doch was passiert in diesem Fall? Das Problem des Menschen ist, dass wir alle, selbst als Atheisten, Agnostiker, religiös Gleichgültige oder religiös „Unmusikalische“, unausweichliche Gottesverehrer, Gottesanbeter sind. Wenn wir uns nicht dem wahren Gott öffnen, verschwenden wir unser Leben unfehlbar an die Götzen dieser Erde.

Beispiel: Nachdem vor 80 Jahren für mehr als ein Jahrzehnt fast unser ganzes deutsches Volk sich und Millionen andere den Götzen Führer, Volk und Vaterland verschrieben, geweiht und geopfert hatten und inmitten der rauchenden Trümmer dieses götzendienerischen, menschenverachtenden, mörderischen Jahrtausendfrevels aufwachten, füllten sich die Kirchen wieder.

Viele besannen sich erneut auf die christlichen Wurzeln unserer Kultur – aber nicht für allzu lange Zeit. Denn schon bahnte sich der nächste Götzendienst an. Im Wirtschaftswunderland Deutschland begann der zunächst sehr wohlgemute Tanz um das goldene Kalb eines nie dagewesenen Wohlstandes. Seit spätestens den 70er Jahren begannen die Kirchen sich wieder kontinuierlich zu leeren.

Und nun werden wir in diesen Wochen und Monaten Zeugen des immer verzweifelteren Tanzes um die goldenen Kälber unserer Wohlstandsgesellschaft. Wirtschaft, Banken treiben die Politik vor sich her. Das Geld, die Rendite als der Götze Nummer eins unserer Tage unterwirft das ganze Leben, einen Lebensbereich nach dem anderen und zuletzt den Menschen selbst einem erbarmungslosen Kosten-Nutzen-Kalkül. Und das bleibt nicht ohne Auswirkung auf unser Menschenbild. Auch dazu nur zwei Beispiele: das im vergangenen Jahr verabschiedete Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik sowie die ab einem bestimmten Alter übliche Pränataldiagnostik zielen darauf – letztere mit inzwischen fast 100prozentigem Erfolg – unproduktive, weil mutmaßlich behinderte Kinder schon vor der Geburt auszusondern, zu töten und auf den Abfallhaufen unserer in so mancher Hinsicht einfach nur barbarischen Zivilisation zu werfen.

Viele derjenigen Kinder, die geboren werden, werden Opfer einer schier unglaublichen Hysterie. Schon mit ein/zwei Jahren müssen sie krippenmäßig gefördert und fit gemacht werden, um eines Tages effiziente, wirtschaftstaugliche Bundesbürger abzugeben; in dieselbe Richtung marschiert ein Schulsystem, das vielen Heranwachsenden die Unbeschwertheit der Kindheit und Jugend raubt.

Warum bezahlt ihr mit Geld, was euch nicht nährt, und mit dem Lohn eurer Mühen, was euch nicht satt macht?, fragt der Prophet in der alttestamentlichen Lesung. Die falschen Götter, an die Menschen sich verausgaben, haben eines gemeinsam: sie fordern Menschenopfer, unzählige, und sie verursachen innere Leere, Verzweiflung, Depression in den Seelen ebenso Unzähliger.

Die Medizin dagegen ist seit 2000 Jahren dieselbe, nur muss jede Generation neu, nein jeder einzelne Mensch neu bereit sein, sie zu empfangen, sich ihr zu öffnen, sie in sich einzulassen. Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, in der jeder Mensch wie unter einem stets geöffneten Himmel lebt und in seinem Herzen weiß: Ich bin Gottes geliebtes Kind – dann werden Gebet, Feier des Gottesdienstes, die Weitergabe dieser Liebe an die Mitmenschen, Versöhnungsbereitschaft … nicht mehr lästige und daher oft unterlassene Pflichtübungen sein, sondern dann wird dies die natürlichste Frucht eines solchen Glaubens und Vertrauens sein.

Und das ist der Beginn eines Weges der Heiligkeit, der jedem Getauften möglich ist. Darin steckt das Wörtchen heil. Wo Gottes Heiligkeit und Liebe in einem Menschenleben wirkt, wirken darf, weil Gott unsere Freiheit achtet – kann ein solcher Mensch, kann ich heil werden, können durch mich andere Menschen heil werden, kann durch mich in meiner Umgebung viel Heilsames geschehen.

Nehmen wir an diesem Festtag der Taufe des Herrn und unseres Patroziniums diese Frage mit: Kann ich es als Getaufte, als Getaufter für mich wahr sein lassen, was Gott mir unaufhörlich sagen möchte: Ich liebe dich!

Pfr. Bodo Windolf

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