Predigt vom 5. April 2012 (Gründonnerstag)

St. Severin Garching

 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching
Predigttext

Nehmen, danken, brechen, teilen – die Eucharistie, übersetzt in unseren Lebensalltag
(Gründonnerstag 2012)    5. April 2012

„In der Nacht, da er verraten wurde, nahm Jesus das Brot und sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach: ‚Das ist mein Leib für euch.’“ 

Nehmen – danken – brechen – darreichen, das sind die Worte und Gesten Jesu damals im Abendmahlssaal, das sind die Worte und Gesten in jeder Eucharistiefeier bis heute. Es sind Urworte und Urgesten, die ich einmal durchsichtig machen möchte auf unser Leben hin. Denn die Liturgie feiern  wir nur in der rechten Weise, wenn sie etwas mit unserem Leben zu tun hat. Wenn der Gottesdienst hier drinnen in der Kirche und das Leben draußen im Alltag zwei Parallelwelten sind, die nichts miteinander zu tun haben, dann läuft etwas falsch. Versuchen wir, einmal darüber nachzudenken, wie beides zu einer tiefen inneren Einheit werden kann:

Jesus nahm das Brot – genommen werden, sich nehmen lassen. Wenn wir diese Geste auf uns selbst beziehen, stellen wir schnell fest: Wir wollen etwas anderes. Wir wollen unser Leben selbst gestalten, nicht fremdbestimmt sein, sondern selbstbestimmt; aktiv unserem Leben diese oder jene Richtung geben. Und das ist etwas sehr Natürliches und Richtiges. Denn Gott selbst hat uns die Fähigkeit zu solcher aktiven Gestaltung unseres Daseins gegeben.

Freilich machen wir im Leben immer wieder auch die Erfahrung, dass diese Fähigkeit an Grenzen stößt. Es gibt Situationen, denen gegenüber wir machtlos sind. Aus unzähligen Gesprächen mit Menschen gewinne ich immer mehr die Einsicht, dass die größte und tiefste Lebenskunst darin besteht zu lernen, Menschen, Dinge, schwierige Situationen, Schicksalsschläge, die sich nicht ändern lassen, anzunehmen, ein inneres Ja dazu zu sagen. Wo das gelingt, kann ein großer Friede in einen Menschen einziehen, kann jemand eine Gelassenheit ausstrahlen, die Ausdruck dieses Friedens ist. Wenn dies aus einer Haltung des Glaubens geschieht, hat ein solcher Mensch gleichsam sich nehmen lassen, sich und alles Beschwerliche, vielleicht geradezu Unerträgliche in die Hand Gottes gelegt wie das Brot in der Hand Jesu gelegen hat, damit Er es wandle.

Jesus dankte. Mir will scheinen, dass die zu einer Lebenshaltung gewordene Dankbarkeit eine der wichtigsten Voraussetzung für die Erfahrung von Glück ist. Wer sein Leben und alles Schöne und Gelungene darin genießt, einfach nur deswegen, weil es halt so ist, wie es ist, irgendwie selbstverständlich, kann sicher sehr zufrieden sein. Aber auch glücklich? Ich bin überzeugt, dass wir glücklich sind in dem Maße, wie wir wissen: Ich bin beschenkt. Da ist Jemand, der mich einfach so, ungeschuldet, aus reiner Liebe, unendlich reich beschenkt. Der mich beschenkt mit mir selbst, mit meinem Dasein, mit allem, was dazu gehört, mit meinen Begabungen, der mich beschenkt mit Sich; sei dieser Jemand nun ein Mensch oder sei er Gott. Beides ist für uns wichtig: Ich beschenkt von Mitmenschen, aber auch und im Grunde noch viel mehr von Gott. Dank war die Haltung Jesu. Danksagung ist die Bedeutung von Eucharistie. Eucharistie will uns einüben in die Haltung des Dankes.

Jesus brach das Brot. Das Brechen ist wie eine „Verwundung“, damit das Brot austeilbar wird. Gebrochen, verwundet sind wir alle irgendwo in unserer Existenz. Gebrochen, verwundet durch persönliche Schuld; gebrochen, verwundet durch Schuld anderer; gebrochen, verwundet durch Umstände, die uns zu einer schweren Last werden. Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass Menschen, die die eigene Gebrochenheit gar nicht wahrnehmen, sich mit der Aura des Perfekten, Unfehlbaren, Unverwundbaren, des Alles-im-Griff-Habens umgeben, Unnahbarkeit, Distanziertheit, oft einfach nur Lüge ausstrahlen unter einer auf Hochglanz polierten Oberfläche. Die, die damit offen und ehrlich umzugehen verstehen, sowohl gegenüber sich selbst als auch gegenüber anderen, offenbaren paradoxerweise gerade so eine viel größere innere Stärke als der erstbeschriebene Menschentyp.

Immer wieder bewegend ist, dass die Erfahrung einer Verwundung, die man nicht mehr verdrängen kann, z.B. eines schweren Leides, bei vielen Menschen zur Öffnung wird für die Gnade Gottes. Wie verkrustet und erstarrt sind so viele menschliche Herzen, erstarrt in Gewohnheiten und Denkmustern, wie gepanzert gegen den Einbruch der Liebe, die Gott selbst ist; ein Panzer, der bisweilen nur ge- und durchbrochen werden kann durch Wunden, die das Leben schlägt; die vielleicht sogar irgendwie auch Gott selbst schlägt, um durch unseren Panzer hindurchdringen zu können; Wunden, die wir annehmen lernen müssen, damit sie heil werden – und uns heil machen. Welches Paradox – Wunden, die tatsächlich noch tiefere Wunden zu heilen vermögen! Die Heilkraft sogar des Unheilen, des Gebrochenen und Verwundeten in uns zu entdecken – auch das macht ein menschliches Leben reif und reich.

Jesus reichte das Brot seinen Jüngern – ausgeteilt werden, sich austeilen lassen. Unser Leben wird nur reich, wenn es auch zu einem Geschenk wird. Wer nur sich selbst lebt, den eigenen Wünschen, den eigenen Bedürfnissen, dem eigenen Egoismus, bringt nicht Segen und Frucht, sondern bleibt steril, langweilig, unfruchtbar; macht sich selbst gleichsam zum ungenießbaren Stein, anstatt zum Brot zu werden, zum Brot für andere, zum Brot, das andere nährt.

Das heißt: sich beschenkt wissen und selbst zum Geschenk werden – diesen nicht endenden Kreislauf möchte die Feier der Eucharistie, die Gabe der Eucharistie in uns bewirken und befeuern. Das Brot des Lebens zu empfangen, ohne selbst zum Brot des Lebens für die Mitmenschen zu werden, hieße, die Gabe der Eucharistie vergeblich empfangen.

Lassen wir die vier Worte nehmen – danken – brechen – teilen zu einem Gebet werden:

Herr, nimm mich und mein Leben, damit Du es wandeln kannst. Dir danke ich aus ganzem Herzen für alles, sogar für das Schwere in meinem Leben. Verzeih mir alle Gebrochenheit, die Schuld in mir verursacht hat. Verwunde mich durch die Erfahrung Deiner Liebe. Hilf mir, ein Geschenk zu werden für dich und meine Mitmenschen. Lass mich so immer wieder Eucharistie feiern, Dich empfangen als Brot des Lebens, um es selbst zu werden. 

Pfr. Bodo Windolf

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