Predigt vom 7./8. April 2012 (Osternacht)

St. Severin Garching

 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching
Predigttext

Staunen, Freude, Trost – Finsternis springt ab
(Osternacht 2012)

„Wenn ich tot bin, bin ich tot. Dann ist alles aus.“ Diese Überzeugung hat der bekannte Rennfahrer Niki Lauda, der vergangenes Jahr wieder in die Kirche eingetreten ist, erst kürzlich in einem Interview mit der österreichischen Zeitung „News“ ausgedrückt. 

In der Zeitschrift „Die Zeit“ von dieser Woche schreibt der Autor Klaus Harprecht: „Stellen sich die Kirchenoberen die Frage, wie sie`s mit den Christen halten, für die des Heilands Auferstehung keine Wahrheit mehr ist? Wagt es einer der Glaubenshüter, ihnen das Christsein abzusprechen? Aus dem Vatikan kommt dazu seit Menschengedenken kein Wort. Keines der Verdammnis, keines der Toleranz. Die Päpste, die Kardinäle, die Bischöfe führen sich auf, als gäbe es dieses dramatische Problem nicht: dass die Majorität der europäischen Christen die Grundsubstanz des Glaubens leugnet.“

Erstaunlich ein weiterer Sachverhalt: der Glaube an ein Weiterleben nach dem Tod nimmt im Alter eher ab. Jüngste Erhebungen der Bertelsmannstiftung zeigen, dass deutlich mehr Junge als Alte davon überzeugt sind.

Kurz zu Niki Lauda: Etliche der Kommentatoren im Internet gehen ziemlich ins Gericht mit ihm und fragen sich, was ein solcher Kircheneintritt denn eigentlich soll, wenn, wie Harprecht schreibt, von ihm etwas zur „Grundsubstanz des Glaubens“ Gehörendes geleugnet wird. Ich persönlich würde nicht so hart urteilen. Offensichtlich ist bei Niki Lauda, was Glaube und Kirche betrifft, etwas in Bewegung geraten, und ich hoffe, dass er noch nicht am Ende seines Glaubensweges angelangt ist. Wer weiß, wie er in einigen Jahren darüber denken wird.

Auch Harprechts Aussage ist mir zu pessimistisch. Ich ziehe es vor, nicht, mich über die zu beklagen, die nicht mehr an die Auferstehung glauben, sondern mich zu freuen über die, die diesen Glauben noch haben, und zwar in einer Zeit, in der es eindeutig schwieriger geworden ist zu glauben. 

Gerade unter denen, die nicht glauben, gibt es solche, die mir ausgesprochen sympathisch sind. Immer wieder begegnen mir Menschen, die von sich sagen, sie würden so gerne glauben, aber können es nicht, und die daher die beneiden, die zu glauben vermögen.

Aus diesen möchte ich einen nennen, der ein wunderschönes Ostergedicht gedichtet hat, Reiner Kunze, aus der ehemaligen DDR stammend, der lange vor der Wende seinen kommunistischen „Glauben“ verloren hatte und von sich einmal sagte: „Mir ist Gotteserfahrung bis heute nicht zuteil geworden.“

Ostern

Die glocken läuteten,
als überschlügen sie sich vor freude
über das leere Grab

Darüber, dass einmal
etwas so tröstliches gelang
und das staunen währt
seit zweitausend jahren

Vielleicht muss man ungläubig groß geworden sein, oder es ist zumindest eine Hilfe, um das Überwältigende dessen zu spüren, was wir heute feiern. Was löst es in ihm, dem Lyriker aus? Staunen, Freude, Trost. All das verbindet er mit der österlichen Botschaft, die die Glocken verkünden und hinausrufen in die Welt.

Doch er bleibt ehrlich, denn das Gedicht ist noch nicht zu Ende. Es schließt mit den Zeilen:

Obwohl die glocken
so heftig gegen die mitternacht hämmerten 
– nichts an finsternis sprang ab.

So furchtbar ernüchternd dieser Schluss ist – er setzt die vorherigen Zeilen nicht außer Kraft. Und er bleibt doppeldeutig. Will Kunze sagen: So überwältigend schön die österliche Botschaft ist – sie ist doch nur Illusion? Zu schön, um wahr zu sein? Oder klagt er, dass sie zwar ertönt, aber nicht wirklich ankommt in unserer Welt, die noch so voller Finsternisse ist? Müsste eine Welt mit einer solchen Botschaft nicht ganz anders aussehen – staunender, freudvoller, tröstlicher?

Nun ja, ich glaube, wir alle würden wünschen, dass es so wäre. Doch auch hier die Frage: schauen wir, wenn wir so reden, nicht auch wieder auf all das, was besser sein könnte, anstatt auf das, was schon ist?

Wie viel an Staunen, Trost, Freude hat der österliche Glaube schon seit 2000 Jahren in einer nicht zu zählenden Schar von Menschen bewirkt? Sähe es in und auf unserer Welt nicht noch viel finsterer aus, wenn es diese Botschaft nicht gäbe. Wir wünschen uns die großen, globalen, gesamtgesellschaftlichen und für alle sichtbaren Veränderungen und Verbesserungen auf unserem Globus.

Gott wirkt anders. Er will nicht zuerst die Welt verändern, er will unsere Herzen ändern. In einer Begegnung mit Kindern und Jugendlichen bei seinem Besuch in Mexiko hat Papst Benedikt dies auf eine so einfache wie tiefe Weise ausgedrückt: „Wenn wir zulassen, dass die Liebe Christi unser Herz verwandelt, dann werden wir die Welt verwandeln können. Das ist das Geheimnis des wahren Glücks.“

Die Liebe Christi kann nur unsere Herzen verwandeln, wenn wir ihn als wahrhaft Auferstandenen glauben, wenn Er ganz lebendig werden darf in unserem Inneren, in unserem Herzen. Wenn wir anfangen zu staunen über die Tiefe und Schönheit unseres Glaubens an Jesus Christus. Wenn wir anfangen zu staunen darüber, dass ich es Gott wert bin, für mich auf die Erde zu kommen, für mich zu sterben und für mich aufzuerstehen dorthin, wo Er auch einmal mit mir sein möchte.

Die auferstandene Liebe Christi wird unsere Herzen verwandeln, wenn wir die Freude, die aus dem Glauben an Ihn kommt, in uns tragen, in uns zulassen, nicht um sie für uns zu behalten, sondern um sie weiterzuschenken an jene, die diese Freude entbehren.

Die auferstandene Liebe Christi wird unsere Herzen verwandeln, wenn wir aus diesem Trost und dieser Hoffnung leben und Kraft schöpfen, um die Widrigkeiten des Lebens zu bestehen und anderen zum Trost zu werden.

Reiner Kunzes Gedicht können wir als eine Anfrage an uns lesen. Und vielleicht können dann durch uns seine letzten Zeilen umgedichtet werden:

weil die glocken

so heftig gegen die mitternacht hämmerten

- sprang so viel an finsternis ab

in uns und um uns herum

Pfr. Bodo Windolf

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