Predigt vom 3. Juni 2012  Dreifaltigkeitssonntag

St. Severin Garching

 
Prediger:
Pfarrer Bodo Windolf

St. Severin Garching
Predigttext

Gott ist die Liebe – das einpersonale und der dreipersonale Ein-Gott-Glaube
(Dreifaltigkeitssonntag 2012)

„Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Edlen über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glauben, dass eins drei sei und drei eins; das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner Seele; auch sah ich nicht ein, dass mir damit auch nur im mindesten wäre geholfen gewesen.“ (J.W. v. Goethe)

„Aus der Dreieinigkeitslehre, nach den Buchstaben genommen lässt sich schlechterdings nichts fürs Praktische machen, wenn man sie gleich zu verstehen glaubte, noch weniger aber, wenn man innewird, dass sie gar alle unsere Begriffe übersteigt. Ob wir in der Gottheit drei oder zehn Personen zu verehren haben, wird der Lehrling mit gleicher Leichtigkeit aufs Wort nehmen, weil er von einem Gott in mehreren Personen (Hypostasen) gar keinen Begriff hat, noch mehr aber, weil er aus dieser Verschiedenheit für seinen Lebenswandel gar keine verschiedenen Regeln ziehen kann.“ (Immanuel Kant)

Goethe kann mit der Lehre vom dreifaltigen Gott gar nichts anfangen, witzelt vielmehr im Faust, dieses „eins ist drei“ und „drei ist eins“ sei nichts als ein Hexeneinmaleins. Von Gott, wenn es ihn denn überhaupt gibt, muss man auch irgendetwas haben. In Hinblick auf diese Frage ist es aber völlig egal, ob er nun einfaltig oder dreifaltig sei.

Ähnlich pragmatisch sieht es der große Philosoph der Aufklärung, Immanuel Kant. Ganz im Sinne der Aufklärung ist für ihn die einzige Funktion von Religion, zur Besserung des Menschengeschlechtes beizutragen. Was in ihr nicht übersetzbar ist in Moral und praktische Lebensorientierung, ist beiseite zu lassen. Das Dreifaltigkeitsdogma ist in dieser Hinsicht vollkommen bedeutungslos. Daher ist es insgesamt ohne Belang. Überhaupt hat Gott für Kant nur die Bedeutung, zu garantieren, dass der, der in seinem Leben moralisch handelt, dies am Ende nicht vergeblich getan hat. Deswegen sagt er: Gott muss es geben als eine Erfordernis – er sagt dazu Postulat – der moralischen Vernunft.

Mir scheint, dass diese Auffassung zweier berühmter Persönlichkeiten die Auffassung vieler nicht berühmter Menschen widerspiegeln. Sind es nicht einfach nur müßige Theologenspekulationen, dieses Gerede vom Einen Gott in Drei Personen? Eigentlich ist es doch gleichgültig, nein sogar vorteilhaft, wenn wir Gott so wie die Juden und Moslems einfach als den Einen verehren, der auch nur eine Person ist. Dann wäre doch wenigstens ein Streit zwischen den Religionen beigelegt.

Warum es alles andere als unwichtig ist, dass wir Gott zwar als den Einen, aber zugleich als den Einen in Drei Personen verehren, habe ich erst kürzlich in einem kurzen Gespräch erfahren. Auf unserer Pfarrfahrt nach Köln habe ich in der dortigen Minoritenkirche ein kurzes Gespräch mit einem der Aufseher geführt. Freundlich hatte er uns eins der Altarbilder erklärt und führte dann aus, warum Gott den Menschen erschaffen habe. Er sagte sinngemäß: Ein einziger Gott muss sich einsam und allein fühlen. Dieser Gott sehnt sich geradezu danach, jemanden zu haben, den er lieben kann. Und deswegen hat er den Menschen geschaffen.

Leider war keine Zeit, mit ihm ausführlicher darüber zu sprechen. Aber ohne es zu ahnen, hatte er genau das Problem ausgesprochen, das der einpersonale Ein-Gott-Glaube hat. In der Tat können weder der Jude noch der Moslem eine befriedigende Antwort auf die Frage geben, ob der Mensch um seinetwillen erschaffen worden sei, oder nicht vielmehr um Gottes willen; als eine Funktion für Gott; als ein Mittel, das Gott benutzt, um sich aus seiner furchtbaren und auf Dauer depressiven Einsamkeit zu erlösen.

Dieses Problem kann allein der Glaube an Gott, den Dreieinen lösen. Hier ist Gott Gemeinschaft, Beziehung in sich selbst. Er braucht den Menschen und die Schöpfung nicht, um erst durch sie zu einem Liebenden und damit glücklich zu werden. Er ist in sich selbst Liebe und daher unendliche Seligkeit, weil es in ihm selbst die unendliche Lebendigkeit der Liebe der drei göttlichen Personen zueinander gibt.

Nur so konnte Gott auch den Menschen um des Menschen selbst willen erschaffen. Aus unendlicher Liebe, weil er endliche Geschöpfe teilhaben lassen wollte und will an seiner eigenen Glückseligkeit, hat er den Menschen erschaffen. Nicht Gott braucht uns Menschen, sondern der Mensch braucht Gott, um wahrhaft glückselig zu werden.

Von da aus kann man auch die Frage stellen, ob denn dieser Glaube tatsächlich so nebensächlich sei für unser praktisches und ethisches Verhalten. Bei tieferem Nachdenken stellt sich heraus, dass sowohl Goethe als auch Kant darin irren. Der Gott, den wir als Christen verehren und der sich uns in Jesus Christus als der dreifaltige offenbart hat, als Vater, Sohn und Heiliger Geist, ist nur deshalb auch die Liebe. Ein einpersonaler Gott könnte niemals Liebe sein, weil ihm das Du, die Beziehung, die liebende Hinwendung zum anderen fehlen würde. Er müsste, wie wir gesehen haben, sie sich erst erschaffen. Aber weil, Gott als der Dreipersonale Liebe ist, ist er damit auch das Urbild aller Liebe. Das Wesen Gottes ist daher die unaufhörliche Hingabe seiner selbst: des Vaters an den Sohn, des Sohnes an den Vater, beider an den Heiligen Geist und des Heiligen Geistes an Vater und Sohn. Weil der Vater niemals nur für sich allein Gott sein wollte, d.h. eben nicht alles für sich behalten wollte – so ist gewissermaßen die Konzeption des einpersonalen Ein-Gott-Glaubens – , sondern weil er dies mit jemand anderem teilen will, gibt er sich selbst hin; er gibt seit Ewigkeit restlos alles, sein ganzes Gottsein, so sehr hin, dass er eine zweite Weise zeugt, Gott zu sein, nämlich auf die Weise des Empfangens, auf die Weise des Sohnes. Und diese Gesinnung des restlosen Sich-Schenkens, Sich-Hingebens, Sich-Verschwendens findet sich in derselben Weise im Sohn und im Heiligen Geist.

Weil aber Gott so ist, gelingt unser Menschsein nur dann, wenn wir selbst so zu leben versuchen. Wer egoistisch alles für sich behalten will, in erster Linie an sich selbst denkt, wird sich verfehlen, wird sich verlieren, wird nicht wahrhaft glücklich werden können. Nur wer liebend bereit ist, sich zu schenken, sich für andere, für eine Aufgabe, für Menschen, für Gott zu verschenken, wird Erfüllung, sich selbst und darin das wahre Glück finden. Die Zusammenfassung aller Gebote im einen Gebot der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen sowie der Satz Jesu, dass sich verlieren wird, wer das Leben vor allem für sich selbst gewinnen will, dass sich aber gewinnt, wer bereit ist, sein Leben zu verlieren um Jesu willen, ist letztlich nichts anderes als die Übersetzung des Dreifaltigkeitsdogmas in unsere Lebenspraxis; Antwort auf die Frage, wie wir leben müssen, damit unser Leben gelingen kann.

All diese Überlegungen zeigen: die Lehre vom dreifaltigen Gott geht weit über unsere Vorstellungskraft, unser Verstehen und unsere Vernunft hinaus. Zugleich aber können wir sagen: es ist höchst vernünftig, Gott genau so zu glauben, wie wir dies in der hl. Schrift und in der kirchlichen Lehre finden. Dieser Glaube ist über-vernünftig, aber nicht wider-vernünftig. Kein Dogma unseres Glaubens hält das Geheimnis Gottes so hoch; ein Geheimnis, das sich aber dem am meisten erschließt, der selber liebt.

Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright  2012  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de