Radio-Impulse für Radio Horeb vom 25. April 2007

St. Severin Garching

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Im Bild:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching
(bei der Firmung am 20.04.2007)

Radioimpuls vom 25. April 2007  zum Fest des hl. Evangelisten Markus
"Das Markus-Evangelium"

Die Kirche feiert heute das Fest eines ihrer Evangelisten, das des hl. Markus, ein guter Anlass,
einmal einige wesentliche Grundlinien und Themen seines Evangeliums in den Blick zu nehmen.

Zunächst ein paar Worte zum Verfasser des Markus-Evangeliums: Das Evangelium selbst nennt keinen Autor, dieser bleibt anonym, er tritt gänzlich zurück hinter dem Wort, das er niederschreibt; nicht er, sondern allein die Worte und Taten Jesu sind wichtig, er selbst versteht sich nur als das Werkzeug ihrer Niederschrift.

Erst einige Jahrzehnte nach dieser Niederschrift wird zum ersten Mal ein Name des Autors überliefert. Nach dem Geschichtsschreiber Eusebius geht dieser auf Bischof Papias von Hierapolis zurück, der um 120 oder 130 n. Chr. verstarb. Dabei beruft sich der Bischof seinerseits wieder auf die Auskunft eines anderen, nämlich des Presbyters Johannes.

Inzwischen hat sich nämlich die Situation verändert, so dass der Name wichtig wird. Die Kirche befindet sich in Auseinandersetzung mit Irrlehrern, v.a. sog. Gnostikern, die behaupten, sie besäßen die legitime Überlieferung über die Lehre Jesu. Ihnen gegenüber muss die Autorität und das Ansehen dieses ältesten Evangeliums gesichert werden; und dies geschieht dadurch, dass es indirekt an die Autorität des Apostels Petrus rückgebunden wird, und zwar durch Markus, der von Bischof Papias (auf griechisch) als „hermeneutes“, als „Dolmetscher des Petrus“ vorgestellt wird. Dieser Ausdruck ist doppeldeutig. Entweder ist hier gemeint, dass Markus die auf aramäisch gehaltene Predigt des Petrus ins Griechische übersetzt hat, oder einfach nur, dass er es ist, der die Worte des Petrus der Nachwelt schriftlich übermittelt hat. Weiter führt Bischof Papias über ihn aus: „Alles, woran er sich erinnerte, schrieb er sorgfältig auf, freilich nicht der Reihe nach, sowohl die Worte als auch die Taten des Herrn. Denn er hatte den Herrn weder gesehen, noch war er ihm nachgefolgt, sondern erst später, wie ich bereits sagte, dem Petrus. Dieser richtete seine Predigten nach den Bedürfnissen (der Hörer).“

Natürlich gibt es unter den Exegeten auch Zweifel an dieser Überlieferung des Papias. Als stärkstes Argument für ihre Richtigkeit ist zu nennen, dass, wenn sie erfunden wäre, man sicher direkt auf einen Apostel als Verfasser zurückgegriffen hätte und nicht nur auf einen Apostelschüler.

Diese Überlegung sowie das Alter der Überlieferung sprechen dafür, dass wir durch das Markus-Evangelium hindurch tatsächlich die Worte und die Predigt des hl. Petrus hören.

Nebenbei sei noch erwähnt, dass Markus im Neuen Testament mehrmals erwähnt wird. Seine Mutter empfing regelmäßig einen Teil der Jerusalemer Gemeinde zum Gebet in ihrem Haus. In der Apostelgeschichte tritt er auf als Begleiter des hl. Paulus auf dessen erster Missionsreise, wobei Johannes Markus, wie er hier genannt wird, sich noch auf der Reise von Paulus trennt, was der Grund ist, dass dieser ihn auf eine weitere Missionsfahrt nicht mehr mitnehmen will. Im 1. Petrusbrief taucht er dann als Schüler des Petrus auf. Manche Exegeten vermuten, dass er doch auch Augenzeuge zumindest des letzten Teils des Lebens Jesu gewesen sein könnte. Mitten im Bericht über die Leidensgeschichte findet sich die Erwähnung eines Jünglings, der für die Ereignisse ohne jeden Belang ist, in dem aber der Verfasser eine versteckte Spur, ein „anonymes Signet“ seiner Person hinterlassen haben könnte. Es heißt dort: „Und ein Jüngling ging ihm nach, der war mit einem linnenen gewand auf dem bloßen Leib bekleidet; und sie wollten ihn festnehmen. Er aber ließ das gewand fahren und entfloh nackt.“

Was zeichnet nun das Markus-Evangelium aus? Zunächst ist zu erwähnen, dass Markus gleichsam der Erfinder der literarischen Gattung „Evangelium“ ist. Er ist der Erste, der die bis dahin v.a. mündliche Weitergabe der Worte, der Taten und des Schicksals Jesu in Predigt und Katechese zu einem abgerundeten schriftlichen Text zusammenfasst. Und all das nennt er gleich schon im programmatischen ersten Satz „Frohe Botschaft“, „Gute Nachricht“, griechisch: „Eu-angelion“: „Dies ist der Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“ Dieses Wort „Evangelium“ wird durch ihn zur Gesamtbezeichnung seines und dreier weiterer Werke über das Wirken Jesu, die Jesus-Überlieferung insgesamt also einfach „Frohe Botschaft“ genannt, eine Charakterisierung, die treffender nicht sein könnte.

Auffallend schon im ersten Satz die Bezeichnung Jesu als „Sohn Gottes“. Dieses Hoheitsprädikat ist die Klammer, in die Markus sein ganzes Werk stellt. Denn am Ende seines Evangeliums wird im Angesicht des am Kreuz gestorbenen Herrn der römische Hauptmann ausrufen: „Wahrhaftig, dieser Mensch ist Gottes Sohn!“ In diesem Bekenntnis gipfeln alle vorherigen Aussagen über Jesus und vor allem auch all die Fragen über Seine wahre Identität. Auffällig ist, dass es eine Heide ist, der dieses Glaubensbekenntnis angesichts des Todes Jesu hinausruft. Wir können davon ausgehen, dass Markus sein Evangelium insbesondere für Heidenchristen schreibt und daher nicht zufällig einen Nicht-Juden als Zeugen des Bekenntnisses zu Jesus als Gottessohn aufruft.

Neben diesem wichtigsten christologischen Prädikat überliefert Markus vor allem noch die Selbstbezeichnung Jesu als „Menschensohn“. Bemerkenswert ist dabei, dass nur Jesus selbst sich so bezeichnet, nie aber ein Gesprächspartner, der sich an Ihn wendet, und auch keiner der Evangelisten.

Jesus, wenn Er sich so nennt, verbindet diesen Titel insbesondere mit der Vorstellung des „leidenden Gottesknechts“.  Der Menschensohn, der im Alten Testament, etwa im Buch Daniel, als eine himmlische Gestalt beschrieben wird, die am Ende der Zeit auf den Wolken des Himmels kommen wird, kommt nach dem Selbstzeugnis Jesu nicht als Triumphator, sondern zunächst als einer, der den Weg des Leidens, der Demütigung, des Verworfenwerdens geht. Aus diesem Grund hat man das Markus-Evangelium auch als eine „Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung“ bezeichnet. Der Akzent liegt eindeutig auf dem Leidensweg, den Jesus geht, und auch die Nachfolge auf diesem Weg, die Kreuzesnachfolge, ist für ihn ein herausragendes Merkmal echter Jüngerschaft. Das Bekenntnis zu Jesus als dem „Gottessohn“ schließt ein das Bekenntnis zu Ihm als leidenden „Menschensohn“, und daher ist „Jesusnachfolge“ immer auch „Keuzesnachfolge“.

Das ist auch der Grund, warum Markus die äußerste Zurückhaltung Jesu gegenüber dem Messiastitel so sehr betont. Exegeten sprechen hier vom sog. „Messiasgeheimnis“, das dem Markus-Evangelium ein besonderes Gepräge gibt. Immer wieder verbietet Jesus mit großem Nachdruck Seinen Jüngern und anderen, die ihn als Messias bezeichnen, diesen Titel mit Bezug auf Ihn weiterzusagen. Die Missverständnisse, die mit ihm einhergehen, vor allem die Vorstellung eines politischen Messias, der als kriegerischer Befreier von der  verhassten römischen Besatzungsmacht das Volk Israel zu neuer Größe führen und ein politisches Reich des Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten werde, in dem Er und die Seinen, sprich die Apostel, regieren werden – nicht zuletzt auch deswegen der wohl immer wieder aufflammende Streit unter den Jüngern, wer von ihnen der Größte sei und wer die ersten Plätze im kommenden Reich einnehmen werde – all diese falschen Vorstellungen muss Jesus immer wieder neu und oft mit größter Schärfe zurückweisen.

Diese Bemerkung führt zu einem weiteren Merkmal des Markus-Evangeliums. Einerseits sind die Jünger jene, denen Jesu persönliches Wort in besonderer Weise gilt, die eine einmalige und ausgezeichnete Nähe zu Jesus haben. Er beruft sie, damit sie ständig mit ihm seien, sie empfangen vor allen anderen die Geheimnisse des Reiches Gottes, sie werden von Jesus ausgesendet, sie sind Tischgenossen Jesu beim letzten Abendmahl. Davon hebt sich aber ab ihr  immer wieder hervorbrechender Unverstand, ihre Kleingläubigkeit, ihre Unfähigkeit, Jesus und Seine Worte zu begreifen, was Markus wie kein anderer der Evangelisten hervorhebt. In keinem Evangelium tadelt Jesus Seine Jünger so oft und so scharf, in keinem Evangelium nimmt Er sie in eine so strenge Schule wie bei Markus.

All das bedeutet, dass die Jünger nicht nur Jesu Worte und Taten zu überliefern haben, sondern sie mit ihrem Leben bezeugen sollen. Nur als selbst von Seinem Wort Verwandelte können sie anderen die Kraft und die Freude der Frohen Botschaft übermitteln.

So könnte man abschließend sagen, dass Markus sein Evangelium ganz auf den geheimnisvollen Menschensohn abstellt, an dem der Glaube nach und nach die erlösende Macht des Gottessohnes entdeckt.

Zuletzt möchte ich hinweisen auf ein Wort des hl. Hieronymos. Nach ihm  kann nur, wer das Evangelium kennt, liest, betrachtet und meditiert, auch Jesus, den Gottessohn und Menschensohn, kennenlernen.

Jedem, dem daran gelegen ist, Christus besser kennenzulernen, kann ich nur empfehlen, einmal ein Evangelium kontinuierlich zu lesen, und als das geeignetste, damit zu beginnen, erscheint mir das uns durch Markus überlieferte zu sein.

Pfr. Bodo Windolf

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