Radio-Impulse für Radio Horeb vom 4./5. Mai 2007

St. Severin Garching

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Im Bild:
Pfarrer Bodo Windolf,
St. Severin Garching
(bei der Firmung am 20.04.2007)

Radioimpuls vom 4./5. Mai 2007 
"Apostelkonzil"

Impuls Radio Horeb zu Apg 15,1-6
Apostelkonzil 

In der Lesung des heutigen Tages hören wir den Beginn des 15. Kapitels der Apostelgeschichte. Dieses 15. Kapitel bildet genau die Mitte der Apostelgeschichte, und das ist sicher kein Zufall; denn es stellt so etwas wie einen Dreh- und Angelpunkt in der Beschreibung der werdenden Kirche dar. Hier wird jenes Ereignis geschildert, durch das das noch ganz junge Christentum den Weg von einer bloßen jüdischen Sekte zu einer universalen, weltumspannenden Gemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden endgültig beschreitet.

Die Ereignisse nehmen ihren Ausgang in Antiochien, das inzwischen neben Jerusalem zum zweitwichtigsten Zentrum des sog. „Neuen Weges“ geworden ist. Die antiochenische Gemeinde besteht aus einer größeren Zahl von Diasporajuden, die sich haben taufen lassen, vorwiegend aber aus Menschen, die aus dem Heidentum zum Glauben an Jesus Christus gefunden haben.

Dass nicht nur Juden, sondern auch Heiden der Weg zur Taufe offenstand, war durchaus nicht selbstverständlich, aber gewissermaßen schon durchgekämpft worden. Diesbezüglich hatte Petrus eine wichtige Rolle gespielt. Obwohl er sich zunächst sträubte, das Haus eines Heiden überhaupt nur zu betreten – denn ein gläubiger Jude war der Auffassung, dass er sich dadurch unrein mache – wurde er durch eine Vision geradezu genötigt, einen römischen Hauptmann mit Namen Kornelius aufzusuchen und ihn samt seiner Familie zu taufen. Er verkündete ihnen das Evangelium mit den einleitenden Worten: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,34f).

Als die gläubig gewordenen Juden in Jerusalem davon hörten, stellte man Petrus zur Rede und hielt ihm vor, dass er das Haus von Unbeschnittenen betreten und sogar mit ihnen gegessen hatte. Erst als er schilderte, wie sehr Gott selbst hier ganz offensichtlich Seine Hand im Spiel hatte, beruhigte man sich und sagte: „Gott hat also auch den Heiden die Umkehr zum Leben geschenkt.“

Die erste Hürde zu einer weltumspannenden – man kann auch in des Wortes ursprünglicher Bedeutung sagen: katholischen – Kirche war damit genommen. Auch die erste Missionsreise des Paulus, die von Antiochien ihren Ausgang genommen hatte, hatte deutlich gemacht, dass die Zukunft der Kirche im weiten Raum der Heidenwelt lag.

Aber nun gab es ein weiteres Problem, das diesen Weg aufs höchste bedrohte. Es musste nämlich irgendwann die Frage unabweislich werden, inwieweit das jüdische Gesetz, insbesondere die Beschneidung, die Reinheitsvorschriften beim Essen usf. auch für die Heidenchristen maßgeblich sei .

Davon berichtet die heutige Lesungsperikope: dass nämlich aus Judäa, vermutlich Jerusalem, Brüder nach Antiochien kamen und sagten: „Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden.“ Es ist nicht verwunderlich, dass dies Aufruhr und heftigste Auseinandersetzungen in Antiochien verursachte; vor allem Paulus und Barnabas weisen dieses Ansinnen weit von sich.

Pikant ist die entschiedene Haltung des Paulus, der vor seiner Bekehrung als Pharisäer ein geradezu fanatischer Beobachter des jüdischen Gesetzes war. Deswegen verfolgte er ja auch die Christen so energisch.

Als die Gemeinde ihn und Barnabas nach Jerusalem entsendet, um die Streitfrage den Aposteln und Ältesten in Jerusalem vorzulegen, stellt sich vor Ort heraus, dass es vorwiegend die gläubig gewordenen Pharisäer sind, die auf der weiteren Beobachtung des jüdischen Gesetzes auch nach der Taufe beharren.

Es ist ja aus den Evangelien bekannt, in welcher Auseinandersetzung auch Jesus sich mit den Pharisäern befand. Dabei müssen wir uns hüten, diese wichtige Gruppierung des Judentums der damaligen Zeit zu negativ zu sehen. Die Pharisäer waren von einem ursprünglich sehr reinen Impuls geleitet. Denn sie waren der Auffassung, dass alles Unglück Israels letztlich seine Ursache in der Untreue gegen Gottes Willen hatte. Daher waren sie aufrichtig bemüht, den Willen Gottes, wie er ihnen in der Tora, im jüdischen Gesetz vor Augen stand, aufs getreulichste zu erfüllen. Man war z.B. der Auffassung: wenn alle Israeliten wenigstens einen Tag lang ohne jede Gesetzesübertretung leben würden, dann würde an diesem Tag der Messias erscheinen. Dass sie mit ihrem ursprünglich lauteren Anliegen oftmals weit übers Ziel hinausschossen und manche von ihnen einer veräußerlichten und selbstgerechten Gesetzesfrömmigkeit huldigten, war einer der Ansatzpunkte für die Kritik Jesu.

Diese gläubig gewordenen Pharisäer konnten es verständlicherweise nicht fassen, dass das, was sie zutiefst beseelt hatte, nun nicht mehr gültig sein sollte; und daher fordern sie, wie wir im heutigen Lesungsabschnitt hören: „Man muss sie beschneiden und von ihnen (den gläubig gewordenen Heiden) fordern, am Gesetz des Mose festzuhalten.“ Für jüdisches Denken hing die Zugehörigkeit zum Bund der Verheißung untrennbar mit dem Bundeszeichen der Beschneidung zusammen. Für Nichtjuden war das eine fremde, teils geradezu abstoßende Sitte, die ihnen den Weg zum christlichen Glauben praktisch versperrt hätte. Viele Heiden, die mit dem Judentum und seinem Glauben an den einen und einzigen Gott sympathisierten und ihm anhingen, blieben aus diesem Grund nur sog. „Gottesfürchtige“, traten also nicht formell zum Judentum über, auch wenn sie diesen Glauben teilten und aus ihm lebten.

Die theologische Frage, die für die junge Kirche im Raum stand, war – und das erkannte sicher Paulus am deutlichsten, der sich wie kein anderer mit dieser Frage auseinandersetzte: Wodurch werden wir gerettet, was ist der Grund der Erlösung: Ist es die Gerechtigkeit, die aus der peinlich genauen Beachtung des Gesetzes kommt, oder ist der letzte Grund eine Person, nämlich die Person Jesu Christi, der Gekreuzigt-Auferstandene, und der Glaube an Ihn, was uns rettet?

Wir machen uns wohl keine Begriffe davon, wie schwer es den Aposteln und den mit ihnen versammelten und entscheidenden Ältesten gefallen sein muss, ein Herzstück jüdischer Frömmigkeit und jüdischen Glaubens aufzugeben, um Jesus Christus Platz zu machen. Die Beschneidung als Zeichen der Zugehörigkeit zu Jahwe und dem Bund mit Ihm hatte ihren tiefen Sinn, auch wenn schon das Alte Testament wusste, dass es letztlich nicht auf die Beschneidung der Vorhaut, sondern auf die Beschneidung des Herzens ankommt (vgl. Dt). Aber wie gelingt dies? Paulus weiß wie kein anderer, dass wir Menschen es nicht aus uns selbst vermögen, vollkommen gerecht vor Gott zu werden, neu zu werden aus unserem innersten Herzen heraus. Diese innere Verwandlung, das hat er persönlich erfahren, bewirkt der, der letztlich allein wirklich beschnitten war an Seinem Herzen, es bewirkt Jesus Christus allein und der Glaube an Ihn, durch den wir Ihm verbunden werden. Das alttestamentliche Gesetz ist damit nicht einfach aufgehoben. In seinem Kernbestand wie etwa den Zehn Geboten ist es nach wie vor gültig. Es ist nicht aufgehoben, wohl aber erfüllt.

Wenn es am Ende des Apostelkonzils heißt: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen …“, dann wird hier das frühe Bewusstsein der Kirche deutlich, dass es nicht einfach menschliche Weisheit, sondern Gottes Geist ist, der die Kirche leitet – durch allen Streit und durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch. Die Entscheidung, Heil und Rettung in Jesus Christus zu suchen und der damit einhergehende Verzicht auf bisher für unverzichtbar gehaltene Teile des jüdischen Gesetzes hat die junge Kirche endgültig für das Heidentum geöffnet. Mit der heutigen Lesung und ihrer Fortsetzung an den kommenden Tagen sind wir Zeugen einer der wichtigsten Weichenstellungen der frühen Christenheit, zurückgehend bis auf die Zeit der Apostel. Wer glaubt, kann nicht genug danken für die Führung des Heiligen Geistes in der Kirche des Anfangs bis in die Kirche unserer Zeit, zu der wir durch die Taufe gehören dürfen.

Der Segen des Dreifaltigen Gottes begleite Sie durch diesen Tag, des Vaters …

Pfr. Bodo Windolf

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