Impuls für Radio Horeb vom 7. November 2007

St. Severin Garching

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Im Bild:
Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching
(bei der Firmung am 20.04.2007)

"
Liebe, und tu was du willst"

Impuls in Radio Horeb
31. Woche i. J. zu Röm 13,8-10 am 7.11.2007

Weil es eine so schöne Lesung ist, die uns die Liturgie des heutigen Tages schenkt, will ich sie zu Beginn die­ses morgendlichen Impulses vorlesen.  -->  Röm 13,8-10

Was Paulus hier der Gemeinde in Rom schreibt, greift einen der wichtigsten Inhalte der Lehre und der    Ethik Jesu auf. Weit über 600 Gebote und Verbote kennt das jüdische Gesetz. Doch Gesetzeskasuistik, penible Erfül­lung des Buchstabens des Gesetzes, wie es einer pharisäischen Tendenz Seiner Zeit entsprach, ist die Sache Jesu nicht. Auch wenn er ausdrücklich sagt, dass Er nicht gekommen ist, das Gesetz aufzuheben, sondern es zu erfüllen (vgl. Mt 5,17), fasst er doch die Fülle der Einzelgebote in einem einzigen zusammen: in dem einen Gebot der Liebe, der Liebe zu Gott und der Liebe zum Mitmenschen (vgl. Mt 22,34-40). In diesem einen Doppelgebot - das eines ist, weil beides untrennbar zusammengehört - sind das ganze Gesetz und die Lehre der Propheten enthalten. Das bedeutet: die nur äußerliche, buchstabengetreue Erfüllung der Gebote Gottes bzw. deren Nicht-Übertreten dem Buchstaben nach genügt nicht. Wenn unser Glauben, Denken, Reden und Tun nicht Ausdruck der Liebe ist, bleibt all das hohl, leer, letztlich unerfüllt.

Zum eigentlichen Maßstab der Liebe erklärt dabei Jesus sich selbst: „Ein neues Gebot gebe ich euch: liebt einander wie ich euch geliebt habe.“ (Joh 13,34) Nicht also nur mit einer Allerweltsliebe, wie sie so üblich ist und menschlichem Dafürhalten entspricht, sondern mit einer Liebe, wie Er sie uns vorgelebt hat, sollen wir lieben.

„Liebe, und tu was du willst“, in diesem bekannten Satz hat Augustinus die christliche Liebesethik zusammengefasst.

Nun ist das alles gut und schön. Es klingt gut, wir fühlen uns gut bei solchen Worten, denn wer hat schon etwas gegen die Liebe! Doch die Frage ist: Was ist denn eigentlich Liebe? Liebe im Sinne des Evangeliums, im Sinne Jesu und des hl. Paulus? Wissen wir wirklich schon, gleichsam aus dem Bauch heraus, was Liebe in Wahrheit ist? Kann Liebe nicht sehr schnell zu einem furchtbaren Missverständnis verkommen, weil wir einen vollkommen falschen Begriff von ihr haben? Ist das, was gemeinhin unter Liebe verstanden wird, nicht oft nichts anderes als ein Deckmäntelchen für nackten Egoismus? Muss einem nicht gelegentlich, wenn man beim Friseur ein paar Illustrierte durchblättert, der dringende Wunsch kommen, auf absehbare Zeit das Wort Liebe aus dem eigenen Wortschatz zu streichen? Denn es ist wohl offensichtlich, dass es kaum so strapazierte und missbrauchte Wörter gibt wie das so sehr in Schmalz- und Schmachtschlagern besungene Wort Liebe.

Wie kommen wir auf die rechte Spur dieses trotz allen Missbrauchs doch unverzichtbaren Wortes – unverzichtbar, weil es ja doch ein Grundwort unseres Daseins ist? Es gibt ohne Zweifel viele Zugänge. Für jetzt will ich einen Zugang über die Spra­che versuchen. Die Sprache mit ihren verschiedenen Ausdrücken und Redewendungen für das Phänomen Liebe enthält eine so tiefe Weisheit, beruhend auf der Erfahrung von Jahrhunderten, verrät uns so Wichtiges, dass sie eine gute Hilfe ist, wahre Liebe von unwahrer zu unterscheiden. Es versteht sich von selbst, dass ich mich hier auf einige wenige Redewendungen beschränken muss.

Als erste möchte ich nennen: Ich bin von dir angetan. Wer in diese Worte hineinhorcht, versteht, dass Liebe stets Antwortcharakter hat. Sie ist nicht einfach meine Initiative, mein eigenes souveränes Tun, Fühlen, Emp­finden, sondern sie ist Antwort, Antwort darauf, dass mir gewissermaßen etwas angetan wurde, im positivsten Sinn des Wortes. Et­was, jemand hat mich so angesprochen, angezogen, mich zu sich herübergezogen, dass ich mit Freude, Hinge­rissensein, Zuneigung, Liebe reagiere.

Dass Liebe mir etwas antut, macht ein weiteres Moment deutlich: Liebe verwundet. Und zwar auch das zunächst in einem ganz und gar positiven Sinn. Liebe bricht mich auf, holt mich aus dem Gefangensein in mir selber, bricht mich auf auf ein Du hin; holt mich heraus aus dem Nur-­Ich-Sein, Nur-um-mich-selbst-Kreisen, um bei dem zu sein, der oder die es mir angetan hat.

Dieses „Liebe tut etwas an mir“, tut mir etwas an, verwundet mich, bricht mich auf, holt mich heraus aus der Iso­lation des Ich bin Ich und sonst nichts, wird in einer weiteren Wendung deutlich: Ich mag dich leiden. Das, was der Liebe am meisten entgegengesetzt zu sein scheint, rückt hier in eine unmittelbare Nähe und Nachbarschaft zu ihr: Liebe und Leiden.

Verstehen wir unter Liebe nicht vor allem Seligkeit, Freude, Entzücken, jenes schöne Ge­fühl, ohne das das Leben seinen Glanz verliert? Erscheint es uns nicht als einer der größten Widersprüche unse­res Glaubens, dass Gott, der die Liebe ist, wie es das NT ausdrückt, uns so viel an Leiden zumutet, dass Er so viel Leiden in der Welt zulässt?

Ohne jetzt auf dieses Problem näher eingehen zu können, verrät uns doch hier unsere Sprache, dass es in einem gewissen Sinn gar nicht so verwunderlich ist, dass beide, Liebe und Leiden, miteinander einhergehen. Kann es Liebe geben, ohne die Bereitschaft, für sie auch zu leiden? Genau das will uns diese Redewendung wohl zeigen.

Dasselbe gilt, wenn wir sagen: du bist mir teuer. Das lateinische Wort carus, von dem sich auch caritas ableitet, bedeutet zugleich lieb und teuer, meint also das, wofür ich einen hohen Preis zu zahlen bereit bin. Diese Doppeldeutigkeit, die sowohl das Geliebte wie auch das Kostspielige ausdrückt, kennen auch andere Sprachen. Darin ist die Frage enthalten: will ich mir und wie viel will ich mir die Liebe zu Gott, zum Mitmenschen, zu einer Aufgabe kosten lassen. Liebe ist niemals zum Nulltarif zu haben. Liebe ist nie das, was sich von allein bewahrt und durchhält.

Damit wird nun auch angezeigt, wie sehr derjenige auf dem Holzweg ist, der Liebe geradezu zum Vorwand für rein egoistisches Verhalten nimmt. Wie viele Ehen mögen auseinandergehen, weil ein Teil sagt: meine Gefühle für dich sind einfach nicht mehr da. Es wäre nicht mehr authentisch, wenn ich bei dir bliebe. Aus Ehrlichkeit wollen wir uns doch trennen. Sonst spiegele ich dir nur vor, was eigentlich längst gestorben ist. Wer so redet und handelt, wird nie erfahren, was wahre Liebe ist; denn diese erlangen wir erst, wenn sie Krisen, auch Krisen der Gefühle übersteht.

All die genannten Umschreibungen für das Wort Liebe zeigen übereinstimmend: Liebe ist nicht einfach nur Gefühl; ja es scheint sogar, als sei das Empfinden von Liebe und Sympathie nicht einmal das Wichtigste und der eigentliche Kern in der Liebe. An dieser Stelle kann uns ein weiteres lateinisches Wort weiterhelfen: diligere mit der Bedeutung wertschätzen, lieben, das aber wörtlich übersetzt wählen, erwählen heißt.

Jede echte Liebe ruht auf einer Wahl, auf einer Entscheidung auf. Liebe sagt: ich entscheide mich für dich, d.h. für dich, Gott; für dich, meine Frau, mein Mann; für dich, der du mir jetzt gegenüberstehst als der, den zu lie­ben mir aufgetragen ist.

Wir alle wissen aus persönlicher Erfahrung, dass unsere Gefühle nicht immer auf der Höhe einer solchen Ent­scheidung sind, weder in der Beziehung zu Gott noch auch in unserer Ehe noch auch in den vielfältigen Bezie­hungen zu den Menschen, die zu unserem Leben gehören. Sympathie zu empfinden ist keine Sache des Wol­lens, sondern etwas, das immer auch von vielen Zufälligkeiten abhängt. Doch die Liebe ist uns aufgetragen unabhängig von Umständen, momentaner Gefühlslage etc. In vielen Situationen ist sie eine Sache des Wollens, der Entscheidung: ich will treu bleiben, meinem Gatten, meiner Gattin, auch wenn im Augenblick die Liebe wie tot zu sein scheint. Ich will meinen Glauben an Gott leben, auch wenn ich im Moment nicht die geringste Lust habe, den Gottesdienst am Sonntag zu besuchen, zu beten, mir die Zeit zu nehmen für Ihn, weil alles so trocken ist, ich Spannenderes tun und unternehmen möchte, oder was der Gründe und Ausflüchte mehr sind, die uns immer wieder hindern, die Liebe zu Gott zu tun. Ich will diesem Gegenüber da, den ich verabscheue, langweilig finde, nervig, der mir weh getan hat - ich will ihm freundlich begegnen, wohlgesonnen sein, ihm verzeihen, mich versöhnen - mögen auch alle Gefühle in mir dagegen rebellieren.

Wer so zu lieben versucht - Gott, Ehepartner, Mitmenschen - der wird mit der Zeit auch den eigenen Gefühlen und Empfindungen helfen nachzukommen, auf die Höhe auch empfundener Liebe zu gelangen. Aber die Ge­fühle gehen in den entscheidenden Fällen, in denen es wirklich darauf ankommt, oft der Liebe nicht voraus, sondern gehen ihr nach; dann nämlich, wenn ich mich wieder und immer wieder neu für sie entscheide, mir sie etwas kosten lasse, letztlich nicht etwas, sondern mich selbst; wenn ich bereit bin, auch Leiden auf mich zu nehmen, um in dem zu bleiben, was das Kostbarste des Lebens ist, was allein Menschen zu wahren Menschen macht, zu Ebenbildern Gottes: in der Liebe.

Dass Ihnen das gelinge, dazu segne Sie der gütige, barmherzige und liebende Gott, …

Pfr. Bodo Windolf

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