Impuls für Radio Horeb vom 13. Februar 2008

St. Severin Garching

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Im Bild:
Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching
(bei der Firmung am 20.04.2007)

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Jona und das Gericht Gottes"

Impuls in Radio Horeb
1. Fastenwoche Mittwoch 13.02.2008

Jona und das Gericht Gottes

Das kleine Buch Jona, aus dem wir in der heutigen Lesung einen Abschnitt hören, ist eine der ganz kostbaren Perlen unter den alttestamentlichen Prophetenbüchern und ragt auf eine ganz eigene Weise aus ihnen heraus. Ich will den Inhalt kurz wiedergeben: Jona wird nach Ninive gesandt, um der großen Stadt wegen ihrer Bosheit das Gericht, nämlich den baldigen Untergang zu predigen. Worin die Bosheit Ninives besteht, wird nicht verraten. Jona will sich dem Auftrag entziehen, indem er ein Schiff nach Tarschisch – wohl Tartessus in Spanien, d.h. eine Stadt am westlichen Ende der damals bekannten Welt – besteigt, um vor Gott zu fliehen. Unterwegs kommt ein Sturm auf, durch den das Schiff unterzugehen droht. Während die Schiffsmannschaft ums Überleben kämpft und zu ihren Göttern betet, schläft Jona im Rumpf des Schiffes. Als sie ihn wecken und auffordern, zu seinem Gott zu beten, hört man zwar nicht, dass Jona beten würde – wie sollte er auch beten zu dem, vor dem er auf der Flucht ist – wohl aber sein Bekenntnis zu Gott, der die ganze Welt, Himmel und Erde, erschaffen hat. Man wirft das Los, um herauszufinden, wer der Verursacher des Unglücks sei. Das Los fällt auf Jona, der nun notgedrungenerweise bekennt, dass er auf der Flucht vor Jahwe ist. Er bietet an, sich ins Meer werfen zu lassen, aber all diese in den Augen Israels verlorenen Heiden wollen davon nichts wissen, werfen den Ballast über Bord und rudern um so kräftiger. Doch all das nutzt nichts, und so willigen sie schlussendlich doch darin ein, Jona ins Meer zu werfen, gleichzeitig seinen Gott um Verzeihung bittend. Augenblicklich legt sich der Sturm und Jona wird von einem Fisch verschlungen. Drei Tage verbringt er in der Tiefe des Meeres, geborgen im Inneren des Tieres, von wo nun endlich sein Gebet zu Jahwe aufsteigt. Der endlich befiehlt dem Fisch, Jona dem Leben wiederzugeben und ihn an Land auszuspeien. Nochmals erhält Jona den Auftrag zur Gerichtspredigt in Ninive, diesmal gehorcht er ohne Widerspruch. Drei Tage lang durchwandert er die riesige Stadt und predigt: „Noch vierzig Tage, und Ninive wird zerstört werden.“ Das Unwahrscheinliche passiert: Die Stadt einschließlich des Königs bekehrt sich, alle einschließlich des Viehs tun Buße durch Fasten und Abkehr von allem Unrecht in der Hoffnung, Gott lasse von seinem Zorn ab und sich das Unheil gereuen, das er durch Jona angedroht hatte. Tatsächlich: das Erhoffte tritt ein und Gott verwirklicht seine Drohung nicht. Das wiederum verdrießt Jona, der mit Gott hadert und ihm sagt, genau deswegen habe er gar nicht gehen wollen, weil er wusste, dass er „ein gerechter und barmherziger Gott ist, langsam zum Zorn und reich an Gnade“. Sterben will er in der heißen Wüste am Rand der Stadt aus Protest gegen einen Gott, der Barmherzigkeit statt Untergang walten lässt und seine eigenen Prophezeihung vereitelt. Doch Gott reagiert gnädig auf den Zorn des Jona. Er lässt ihm eine Rizinusstaude wachsen, die ihn vor der heißen Sonne schützen soll. Allerdings verdorrt dieser binnen kürzester Zeit durch den Stich eines ebenfalls von Gott geschickten Wurmes.  Nun will Jona, dem zusätzlich von Gott bestellten heißen Wüstenwind ausgesetzt, voller Groll gegen Gott, demgegenüber er sich im Recht wähnt, endgültig sterben. Aber nun erhält er eine letzte Lehre von Gott, die den Schlüssel zum Verständnis des Ganzen enthält und mit der das Büchlein dann auch endet: „Du hast Mitleid mit dem Rizinusstrauch, um den du dich nicht gemüht hast und den du nicht herangezogen hast, der in einer Nacht heranwuchs und in einer Nacht verging. Und ich soll nicht Mitleid haben mit Ninive, der großen Stadt, in der mehr als hundertzwanzigtausend Menschen leben, die nicht zwischen rechts und links unterscheiden können, und soviel Vieh?“

Mehreres ist am Buch Jona besonders. Zunächst enthält es keine Sammlung prophetischer Worte und Reden, wie die anderen Bücher des AT`s, die nach Propheten benannt sind. Jona kommt hier selbst ja kaum zu Wort, und wenn, dann vor allem in Gegenrede zu Jahwe. Vielmehr handelt es sich um eine Erzählung über einen Propheten, allerdings gespickt mit so vielen Unwahrscheinlichkeiten – der Sturm, der sich augenblicklich verzieht, als Jona ins Meer geworfen wird; der Fisch, der Jona verschluckt, drei Tage in seinem Bauch birgt und dann ausspuckt; Ninive, das drei Tagesmärsche groß sein soll; die spontane Bekehrung einer ganzen Stadtbevölkerung samt König auf das sparsame Wort eines Fremden hin; die Rizinusstaude, die über Nacht wächst und so schnell verdorrt, wie sie gewachsen ist – dass offensichtlich wird: es handelt sich hier sicher nicht um einen historischen Bericht, sondern um eine Lehrerzählung. Es soll gezeigt werden: So handelt Gott zu allen Zeiten, unabhängig von den immer wieder verschiedenen geschichtlichen Situationen der Menschen aller Zeiten und Orte. Die Wahrheit des Büchlein liegt auf einer übergeschichtlichen Ebene. Wie Jahwe Gott sich hier zeigt, so ist sein Wesen, voll Gnade und Erbarmen für ausnahmslos alle Menschen.

Es ist daher eine Lehrerzählung, die in ihrem Heilsverständnis einen Höhepunkt des AT`s darstellt; die auf eine großartige Weise zeigt, was unter Gericht Gottes zu verstehen ist; die auf geradezu humoristische Weise das enge Heilsverständnis Israels aufbricht, dass nämlich allein Israel als auserwähltes Volk auf die heilspendende Zuwendung Jahwes hoffen darf. Vermutlich ist das Büchlein, aus dem eine ferne Erinnerung an das 612 v. Chr. zerstörte Ninive spricht, in der Zeit nach dem babylonischen Exil, also etwa im 5. Jahrhundert v. Chr., niedergeschrieben worden. Israel ist in der Versuchung, sich ganz in sich selbst einzukapseln als erwähltes Volk, und die ganze Menschheit außerhalb als verloren zu betrachten. Gegenüber solchem Partikularismus und Heilsegoismus zeigt das Buch Jona eine ungeheure Weite und Universalität des gnädigen Handelns Gottes. In dieser Geschichte ist die ganze Welt sympathisch: die heidnischen Seeleute, die in Not sind, der heidnische König, die Bewohner und selbst die Tiere in Ninive, alle, bis auf den einzigen Israeliten, der auftritt, der Prophet Jona; aber selbst ihm gegenüber tritt Jahwe voller Nachsicht, Barmherzigkeit und Gnade auf.

Wie zeigt sich Gott hier? Wie zeigt sich das Wesen seines Gerichts? Zunächst zeigt Jahwe sich durchaus als der, der Nein sagen muss. Die Bosheit in Ninive, über deren Art wir, wie gesagt, nichts erfahren – auch das ein Hinweis darauf, dass hier etwas Allgemeingültiges ausgesagt wird – muss Gott verurteilen. Er kann nicht einfach über sie hinwegsehen und ihr gegenüber gleichgültig bleiben. Dies würde zu einem vollkommen falschen und irreführenden Begriff von Barmherzigkeit führen. Würden wir Gottes Liebe als eine solche verstehen, die das Böse in der Welt nicht richtet, verurteilt und bestraft, dann würden wir Gott zum Verbündeten der Täter gegen die Opfer menschlicher Bosheit machen. Das absolute Nein Gottes gegenüber dem Bösen und der Sünde ist eine innere Konsequenz seiner Liebe. Daher ist auch das Gericht Gottes, von dem wir heutzutage so ungern hören und über das auch kaum mehr gepredigt wird, ein notwendiges Moment eben Seiner Liebe und von ihr nicht zu trennen. Doch das Nein Gottes betrifft immer die Sünde, nicht den Sünder selbst. Sein Nein will nicht vernichten, sondern das Ja gebären. Das Nein Gottes droht mit Untergang, mit Untergang als innere Konsequenz des Bösen, damit der Untergang verhindert werde. Es droht mit Tod als innerer Frucht der Sünde, damit statt dessen durch Umkehr das Leben neu aufblühe. Daher ist der innerste Kern jeden Neins Gottes ein um so größeres Ja.

Genau das ist es, was Jona lernen muss und mit ihm Israel, dem diese Erzählung gilt, aber auch wir selbst, die wir bis heute das Buch Jona als Gottes Wort an uns hören und lesen. Mit Jona, der es vorwurfsvoll sagt, können wir zustimmend beten: „Wo Du, Gott, Nein sagst, da sagst Du immer schon Ja. Du kannst nicht auf Tod, sondern nur auf Leben hin verneinen, Du kannst nur aufrichtend richten.“ „Weil ich das wusste, bin ich vor dir weggelaufen“, so fährt Jona fort. Wir dürfen sagen: „Weil Du, Gott, so bist, brauche ich vor Dir nicht davonzulaufen. Ich brauche auch vor deinem Gericht nicht davonzulaufen. Auch wenn Du Nein sagen musst zu etwas in meinem Leben, Du sagst es nur, weil Du Ja zu mir sagst. Du willst mich aufrichten, wenn Du richtest. Du willst meine Umkehr, damit ich dem Leben und nicht dem Tod entgegengehe. Danke, Herr, dass Du mein Leben willst, dass Du willst, dass Deine Güte in mir sei, dass ich ganz der werde, als den Du mich erdacht hast.“

 Dass wir in dieser österlichen Bußzeit den Umkehrruf Jesu so verstehen und ihm folgen, das will ich für uns alle erbitten, und dazu segne euch …

Pfr. Bodo Windolf

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