Impuls für Radio Horeb vom 9. April 2008

St. Severin Garching

[Zurück zu Impulsseite] 

www.radio-horeb.de

Im Bild:
Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching

"
Durst“ in Christentum und Buddhismus – Wollen alle Religionen letztlich das gleiche?

Impuls in Radio Horeb
am Mittwoch, 9.4.08, 3. Osterwoche, Joh 6,35-40 

„Durst“ in Christentum und Buddhismus – Wollen alle Religionen letztlich das gleiche? 

„Die großen Religionen der Menschheit mögen im Detail unterschiedlich sein, aber das, was sie letztlich wollen und anstreben, ist doch eigentlich dasselbe. Letztlich meinen sie alle das Gleiche, nur in unterschiedlichen Gewändern.“ Diese Ansicht wird heute von vielen Menschen, auch von nicht wenigen gläubigen Christen vertreten. Doch stimmt das auch? Wollen alle Religionen wirklich letztlich dasselbe?

Ich möchte einen Satz aus dem heutigen Evangelium zum Anlass nehmen, ein wenig darüber nachzudenken, und zwar in Hinblick auf eine der faszinierendsten außerchristlichen Gestalten der Religionsgeschichte, Siddharta Gautama, wie er mit bürgerlichem Namen hieß, besser bekannt unter dem Namen – der eigentlich ja ein Titel ist – Buddha.

Der Satz aus dem Munde Jesu lautet: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ „Durst“ – das ist das Stichwort, das den Kern buddhistischer Religiosität freilegt und an dem sowohl das zutiefst Verbindende wie zugleich auch das zutiefst Trennende am deutlichsten wird. 

Voranstellen will ich eine Aussage Romano Guardinis, des großen Religionsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts, der sich immer wieder voller Bewunderung mit der Gestalt Buddhas auseinandergesetzt hat. In seinem bekannten Buch „Der Herr“ schreibt er: „Einen Einzigen gibt es, der den Gedanken eingeben könnte, ihn in die Nähe Jesu zu rücken: Buddha. Dieser Mann bildet ein großes Geheimnis. Er ist in einer erschreckenden, fast übermenschlichen Freiheit, zugleich hat er dabei eine Güte, mächtig wie eine Weltkraft. Vielleicht wird Buddha der Letzte sein, mit dem das Christentum sich auseinanderzusetzen hat“ (S. 360). Mit großer Hellsicht hat Guardini Ende der 40er Jahre diese Sätze geschrieben. In der Tat sind Buddha und der Buddhismus für viele religiös Suchende unserer Tage die große Alternative zu Jesus und dem Christentum geworden. 

So möchte ich einmal fragen: Was war es denn eigentlich, was Buddha wollte, was er suchte, was er lehrte, was ihm für sich und seine Schüler als Ziel des Lebens vor Augen stand? Buddha war, um ein ganz zentrales Element seiner Lehre zu nennen, zutiefst durchdrungen von der Vergeblichkeit unseres menschlichen Daseins. Wie vielleicht kaum ein anderer vor und nach ihm hat er diese Vergeblichkeit unserer Existenz, dass es also keine letzte Erfüllung gibt, erlebt, erfahren, erlitten. Aus dieser Erfahrung heraus wusste er um den tiefen Durst in uns allen; das Sanskrit-Wort dafür lautet trsna. Er wusste um den Durst, das Begehren, die Sehnsucht unseres Herzens nach Existenz, nach Dasein und Leben, nach Glück und Freude, nach Erfüllung und Sinn, nach Barmherzigkeit und Liebe. Doch zugleich mit diesem Durst in uns erkannte er: Nichts, aber auch gar nichts in dieser Welt vermag ihn zu stillen. Was immer wir hier in dieser Welt erlangen, sei es  an materiellen, sei es an geistigen Gütern, ist zu klein für diesen unendlichen Durst in uns. Am deutlichsten spüren wir es an und in der Vergänglichkeit, die gleichsam über allem schwebt. Alles wird uns immer wieder irgendwann entrissen: durch Lebensumstände, Schicksalsschläge, ganz sicher und spätestens durch den Tod.  

Weil unsere Sehnsucht nach Glück einer letzten Vergeblichkeit unterliegt, deswegen sah Buddha das Leben als insgesamt leidhaft an. „Leben ist Leiden“, ist die Erste der sog. „Vier Edlen Wahrheiten“ und gleichsam die Diagnose für die konstitutionelle Krankheit unseres menschlichen Daseins. Das Leiden resultiert aus dem Durst, der nie gelöscht wird und nicht löschbar ist und der Symptom und Ursache zugleich ist für diese unsere „Krankheit“. Daher liegt für Buddha Erlösung nicht in der Stillung, sondern in der Zerstörung des Durstes; diese Zerstörung, diese Loslösung von allem Begehren, diese Loslösung von der Welt, von Mitmenschen und von sich selbst gelingt auf dem „Achtfachen Pfad“, in dem uns gleichsam die Therapie angeboten wird. Alles in allem sind das die „Vier Edlen Wahrheiten“, die Buddha um 500 v. Chr. im Tierpark von Benares das erste Mal gelehrt hat und die bis heute der Kern des Buddhismus sind: 1. Das Leben ist Leiden. 2. Leiden ist die Folge unseres Durstes und Begehrens. 3. Erlösung gelingt allein durch das Aufgeben und Zerstören allen Durstes und Begehrens. 4. Der Weg dahin ist der Achtfache Pfad.

Was ist die Folge dieses religiösen Konzepts, dieser Lehre Buddhas? Die Folge ist ein dreifaches Nein. Ein erstes Nein zu einem persönlichen Gott, der unseren Durst stillen könnte. Buddha selbst hat die ganze hinduistische Götterwelt beiseite gestellt als belanglos für den Erlösungsweg.

Ein zweites Nein wird, daraus folgend, gesagt zur Personalität des Menschen. Dass ich Ich bin, ist eine Illusion. In Wirklichkeit ist der Mensch an-atman, übersetzt: ohne Seele, ohne Individualität und Personalität. Der Mensch ist eine Abfolge von Zuständen, und nur mein Durst, mein Begehren hält die Illusion meiner Individualität wach. Erleuchtet, d.h. ein Buddha ist, wer diese Illusion durchschaut und realisiert: Das Ich ist eine Täuschung. Ich bin nicht.

Ein drittes Nein ist das zu einem persönlichen ewigen Leben. Erlösung besteht nicht in der Auferstehung und damit in der liebenden Gemeinschaft mit Gott und allen Miterlösten, sondern im Nirvana, wörtlich: im Verlöschen, gleich dem Verlöschen einer Flamme. Paul Claudel, der große französische Dichter, der als Diplomat in Fernost das tägliche Läuten eines nahe gelegenen buddhistischen Klosters hörte, schrieb einmal darüber: „Die Glocke, die so bitterlich Nein sagt.“ 

Wenn wir nun dieser ohne Zweifel großen und auch faszinierenden Lehre Buddhas den Satz Jesu aus dem heutigen Evangelium gegenüberstellen: „Wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten“, dann können wir sagen, natürlich nur, wenn wir an Jesus Christus glauben: In Ihm, und zwar allein in Ihm, Jesus Christus, ist uns die Antwort auf jene Frage gegeben, die dem Erlösungsweg Buddhas zugrunde liegt. Eine Antwort, die er, Buddha, nicht kennen konnte, weil er Christus nicht kannte.

Aber weil es Christus gibt, ist das Christentum keine Religion des Nein, sondern eine Religion des Ja; voll bejahender Kraft für uns selbst, für den Durst in uns und für die ganze Schöpfung. Als Christen wissen wir so wie Buddha, dass wir den Durst in uns nicht selbst und durch nichts Innerweltliches endgültig zu stillen vermögen. Wenn, dann kann es nur von außerhalb dieser Welt als unvermutetes Geschenk gewährt werden. Weil wir daher Ja sagen zu einem Gott, der in Jesus Christus Ja zu all seinen Verheißungen gesagt hat, deswegen können wir glauben und hoffen, dass unsere Erlösung nicht in der Ausmerzung, sondern in der Stillung unseres Durstes besteht. Weil wir Ja sagen zu einem Gott, der zu jedem von uns Ja sagt, deswegen können auch wir zu uns selbst Ja sagen als einmalige, kostbare, von diesem Gott geliebte Person. Und weil wir Ja sagen zu einem Gott, der uns nicht nur für die kurze Dauer eines irdischen Lebens bejaht und liebt, sondern uns in Christus erlöst hat zu einem ewigen Leben hin, darum können wir auch Ja sagen zu einer persönlichen Auferstehung, in der durch Reinigung und Läuterung hindurch all unser Egoismus, unser falscher Durst, unser irregehendes Begehren, unser falsches An-uns-selber-Haften verlöscht sein wird, nicht aber wir selbst als Person. 

Ich bin ausgegangen von der Frage, ob nicht alle Religionen letztlich dasselbe wollen und erstreben. Was ich ausgeführt habe, beeinträchtigt in keiner Weise die tiefe Spiritualität und die großartige Menschlichkeit, der man in Menschen begegnen kann, die ernsthaft den buddhistischen Erlösungsweg beschreiten. Es geht hier ausschließlich um das letzte Ziel der beiden Erlösungswege, auf der einen Seite Buddhas, auf der anderen Seite Jesu, also um die Frage: Was dürfen wir hoffen? Für unser Dasein jetzt und vor allem jenseits der Schwelle des Todes. Für uns Christen ist nie ein größeres Ja zu uns Menschen, zu mir als einzelner Person und zur Schöpfung insgesamt gesagt worden als durch die Menschwerdung und Auferstehung Gottes in Jesus Christus. „Denn er ist nicht als Ja und Nein zugleich erschienen; vielmehr ist Er das Ja Gottes zu aller Wirklichkeit und all seinen Verheißungen“, so schreibt Paulus im zweiten Brief an die Korinther. Und darum rufen wir durch ihn, wie Paulus fortfährt, zu Gottes Lobpreis auch das Ja, das Amen, das Ich glaube.  

So kann man zusammenfassend sagen:  In der Analyse der conditio humana, d.h. unserer menschlichen Grundsituation, in der Frage, die wir Menschen uns selbst sind, sind sich Buddhismus und Christentum ganz nahe, sie berühren sich bis hin zur Identität. Wo es allerdings um die Antwort geht, gehen beide Religionen teils diametral entgegengesetzte Wege und hoffen auf zwei vollkommen verschiedene Ziele.

Wie dankbar dürfen wir besonders in dieser österlichen Zeit für unsere österliche Hoffnung sein.

Dass diese Hoffnung in Ihnen allen lebendig bleibe, das wünsche ich von ganzem Herzen, und dazu segne Sie …

Pfr. Bodo Windolf

Seitenanfang
© copyright   2008  WebMaster: Herbert Bauernfeind   webmaster@bauernfeind-web.de