Impuls für Radio Horeb vom 7. Mai 2008

St. Severin Garching

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Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching

"Wahre und falsche Freude

Impuls in Radio Horeb
Mittwoch 7. Osterwoche Joh 17,6-19 am 7.5.2008
 

Wahre und falsche Freude 

Die letzten Worte, die Jesus nach dem Johannes-Evangelium vor Seiner Verhaftung und Passion spricht, sind Worte des Gebetes. Man hat sie das „Hohepriesterliche Gebet“ genannt, aus dem wir im heutigen Evangelium einen Ausschnitt hören. In den Abschiedsreden, die diesem großen Gebet vorausgehen, hat Jesus sich an Seine Jünger gewandt und ihnen gleichsam ein Testament Seines Willens, Seiner Verheißungen und Seiner Sendung hinterlassen. Die letzten Worte aber richten sich an den Vater. Ihm vertraut Er die Seinen an, die Zukunft Seines Heilswerkes, die Zukunft der Kirche.

Hören wir einfach einmal hinein in das, was Jesus dem Herzen des Vaters anvertraut. „Vater, dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben.“ Um Freude bittet Jesus den Vater für Seine Jünger. Wie sehr spricht uns diese Bitte an, denn wer von uns sehnt sich nicht von ganzem Herzen nach Freude, Glück, erfülltes Leben. Doch wir müssen genau hinhören: Es geht nicht um irgendeine Freude, nicht um die, die wir uns vorstellen, erträumen, nach der wir oftmals jagen, ohne sie zu erlangen; nein, es geht um „meine Freude“, also um die Freude, die Jesus in sich trägt. Von dieser und keiner anderen ist hier die Rede und von ihr möchte Er, dass sie auch in uns lebt und lebendig wird.

Von welcher Art diese Freude ist, darüber muss man gut nachdenken. Zuvor wollen wir aber noch einmal hineinhorchen in das, was nun folgt. Denn auf einmal wird es paradox, seltsam, befremdlich: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst.“ Die Bitte um Freude und die Feststellung, dass sie Hass erfahren werden, folgt unmittelbar aufeinander. Unwillkürlich fragt man sich: Wie soll beides zusammengehen? Widersprechen sich nicht beide Erfahrungen grundlegend? Wie soll ich Freude empfinden, wenn ich zugleich gehasst werde? Wenn Hass gleichsam zur Grundsituation des Jüngers Jesu wird?

Doch hören wir Jesus und seinem Gebet weiter zu. Den Grund für den Hass formuliert Er so: „Weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.“ Zweimal kurz hintereinander sagt Jesus diesen Satz, was zeigt, wie wichtig Er ihm ist. Wir sind als Seine Anhänger zwar in, sollen aber nicht von der Welt sein. Was das heißt, will auch gut bedacht sein. Schließlich fährt Er fort: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. Heilige sie in der Wahrheit … Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.“ Mit diesen letzten Worten aus dem heutigen Evangelienausschnitt spielt Jesus offensichtlich auf Seine bevorstehende Passion an. An der Heiligung, die Er durch sie hindurch an sich vollzieht, sollen und werden Seine Jünger Anteil bekommen.  

Wenn wir versuchen, all diese Aussagen aufeinander zu beziehen, dann müssen wir feststellen: Die Freude, um die Jesus für alle Seine Freunde bittet, ist an sehr klare Bedingungen geknüpft. Es geht nicht um jene Freude, die die Welt dem Menschen oftmals vorgaukelt – wobei hier mit Welt nicht Gottes gute Schöpfung gemeint ist, sondern jene in sich verschlossene Welt, die nichts anderes als Welt sein möchte, nämlich in bewusster Abkehr von Gott.

Die Welt in diesem Sinn hält das Glück und die Freude für machbar. Du musst eigentlich nur zugreifen, dann nimmst du es in Besitz, das Glück. All das suggeriert uns tagtäglich eine riesige Werbemaschinerie, die uns einflüstert: Dieses und jenes zu haben, immer noch mehr zu haben als du eh schon hast, diesen oder jenen Kick noch auszuprobieren, usf. – all das fehlt dir noch zu deinem wahren Glück. Nimm es dir, kaufe es dir, dann wirst du noch glücklicher, dann steigerst du noch mehr deine Lebensqualität, dann wirst du dein Leben noch mehr erleben.  

Wie viele Menschen befinden sich in dieser nicht endenden Spirale; in einer Spirale von Glücksverheißungen, die heute gelten und morgen wieder getoppt werden müssen, damit keine Langeweile, keine Stagnation eintritt. Und doch ist genau das oftmals das Ergebnis: Langeweile, Verdruß, Frustration, innere Leere, Gefühle der Sinnlosigkeit in dieser schier unaufhörlichen Jagd nach einem Glück, dass sich just in dem Augenblick immer wieder entzieht, in dem ich es zu greifen suche, wie eine Fata Morgana, die sich in nichts auflöst, sobald die Erfüllung sich einzustellen scheint.  

Das Glück zu verlieren, das Glück zu versäumen – das sind die beiden Urängste des modernen Menschen. Die Melancholie der Erfüllung gehört ebenfalls zu unseren Erfahrungen. Denn der Augenblick der Erfüllung lässt uns schon wieder Ausschau halten nach dem nächsten. Und so nuckeln wir an Longdrinks, lutschen in unserer Frustration alle möglichen Pillen und Tabletten, zappeln uns auf Großveranstaltungen ab, vergrößern unsere Schrebergärten, verlängern den Urlaub oder die Arbeitszeit, je nachdem, wie wir gestrickt sind, schaffen uns einen neuen Lebensgefährten an, verfeinern unseren Körper in Studios, begehen eine endlose Reihe von Grill- und Afterwork-Partys – um am Ende festzustellen: Das kann doch nicht alles sein! 

„Verdammt zum Glück“, so lautet ein Buchtitel des französischen Schriftstellers Pascal Bruckner. Er vertritt darin sinngemäß die These, dass das machbare und planbare Glück als Maßstab für Lebensqualität uns immer wieder die Erfahrung des Scheiterns vor diesem Maßstab machen lässt, weil wir es so einfach nicht erlangen. So sind wir verdammt zu einem Glück, das niemals hält, was es verspricht, wenn wir uns dem beschriebenen Maßstab beugen. Und so schreibt er: „Der Plan, glücklich zu sein, stößt auf drei Paradoxa. Er richtet sich auf ein Ziel, das derart verschwommen ist, dass es vor lauter Ungenauigkeit einschüchternd wirkt. Das Glück mündet in Langeweile und Apathie, sobald es eintritt … Und schließlich macht das Glück einen solchen Bogen um das Leiden, dass es ihm wehrlos gegenübersteht, sobald es auftaucht.“ 

Mit dieser Feststellung sind wir nun wieder angelangt beim heutigen Evangelium. Die Freude, von der Jesus sagt, dass sie in ihm ist und dass Er sie auch uns schenken möchte, muss auch der Erfahrung von Leid und Schmerz gewachsen sein und standhalten können. Nicht zufällig spricht Jesus von dieser Freude im Angesicht Seines baldigen Leidensweges. Es ist eine Freude, die wir in der Welt erfahren können, aber nur, wenn wir nicht von der Welt sind im Sinne von verfallen an die Welt, denn diese Freude ist selbst nicht von der Welt, sie kommt von weiter her, letztlich allein von Gott. So sehr wir auch Freude in vielen der genannten Dinge suchen und dies ja durchaus auch dürfen – die eigentliche Freude, nach der wir uns sehnen, ist ohne Gott nicht zu erlangen. Sie ist nicht machbar, sie ist nicht kaufbar, sie ist niemals Frucht des Bösen, daher auch nicht von der Welt, vielmehr kann sie nur erlangt werden, wenn wir in der Wahrheit sind. Aus all diesen Gründen kann sie nur geschenkt werden, d.h. wir müssen sie uns schenken lassen. Wer sich voll und ganz auf die Wahrheit des Evangeliums, auf die Wahrheit, die Christus selbst in Person ist, einlässt, wer am Maßstab dieser Wahrheit unterscheidet zwischen dem, was in unserer heutigen Welt gut, aber auch, was in ihr vom Bösen ist – der wird jene Freude nicht verfehlen, für die und auf die hin Gott uns geschaffen hat, die uns in Jesus Christus begegnet und die er in uns hineinlegen und in Fülle schenken möchte.  

In diesen Tagen vor Pfingsten wollen wir in besonderer Weise um den Geist der Wahrheit beten, um den Geist der Unterscheidung zwischen Gut und Böse, um den Geist, der uns hilft, zwar in der Welt zu leben und Seine Zeugen zu sein, aber nicht von der Welt zu sein, wir wollen beten um den Geist der Freude, wie ihn allein Gott gibt. 

Pfr. Bodo Windolf

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