Impuls für Radio Horeb vom 18.02.2009

St. Severin Garching

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Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching

Impuls in Radio Horeb  18.02.2009

Woche 6      Der Noahbund – Eröffnung des Heils für die ganze Schöpfung

Vor einigen Tagen nahm ich an einer Veranstaltung teil, deren Thema Evolution und Schöpfungsglaube war. Einer der Zuhörer war ein asiatischer Wissenschaftler, der sich selbst als atheistisch bezeichnete und die Frage stellte, wie der Referent dazu käme, sich nur auf den jüdisch-christlichen Schöpfungsglauben zu beziehen. Es gebe doch noch andere Religionen, mit denen sich in Bezug auf diese Frage auseinanderzusetzen lohne wie z.B. den Buddhismus. Und überhaupt sei es verwunderlich, wie man dazu käme, Gott solle sich angesichts der ganzen Menschheit am Anfang nur einem einzigen winzigen Volk offenbart haben. Wie könne es sein, dass Gott, der doch, wenn es Ihn gibt, ein Gott aller Menschen sein muss, sich zunächst nur einem Volk gezeigt haben soll, nicht aber allen Menschen.

Dieser Einwurf wirft tatsächlich eine Frage auf, die heute lebhaft diskutiert wird, nämlich die Frage: Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass Gott sich doch allen Menschen gezeigt hat, aber halt nur auf unterschiedliche Weise, weswegen es die vielen verschiedenen Religionen gibt, in denen sich immer derselbe Gott, allerdings stets in unterschiedlicher Perspektive zeige, so dass alle Religionen einander ergänzen und nur miteinander der Wahrheit über Gott nahekommen.

Es würde für den heutigen Impuls zu weit führen, auf diese Frage eine umfassende Antwort zu geben. Ich will mich damit begnügen aufzuzeigen, wie die Konzeption der alt- und neutestamentlichen Bibel eine Antwort auf diese Frage gibt.

Das Alte Testament ist zunächst einmal die heilige Schrift allein des Volkes Israel. Doch es fällt auf, dass die Bibel des jüdischen Volkes nicht partikularistisch beginnt, d.h. mit dem Blick auf eben nur das eigene Volk, sondern universalistisch, d.h. mit dem Blick auf das Ganze, also die Schöpfung insgesamt. Die Lesungen der vergangenen Tage und auch des heutigen Tages behandeln genau diese Vorgeschichte. Mit den beiden Schöpfungsgeschichten, dem Sündenfall, dem Brudermord Kains an Abel und schließlich der Sintflut mit dem Noahbund umfasst sie die ersten 11 Kapitel des Buches Genesis, ehe in Kap. 12 mit der Berufung Abrahams der Beginn der Geschichte des auserwählten Volkes einsetzt.

Der Sinn dieser Vorgeschichte ist nicht, uns ein historisch genaues und naturwissenschaftlich abgesichertes Protokoll der Weltentstehung und des weiteren Verlaufs zu geben. Vielmehr wird in ihnen die derzeitige Situation der Menschheit beschrieben. All diese Erzählungen wollen Antwort geben auf die Fragen: Woher kommen wir? Warum gibt es das Böse in der Welt, warum Mühsal, Krankheit, Leid und Tod?

Der erste Blick auf die Schöpfung setzt dabei durch und durch positiv ein. Sechsmal heißt es im 1. Schöpfungsbericht: „Und Gott sah, dass es gut war.“ Am Ende, nach der Erschaffung des Menschen, wird diese Aussage sogar noch einmal bewusst gesteigert: „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut“ (Gen 1,31).

Dieses Für-gut-, ja für sehr-gut-Befinden der Schöpfung durch den Schöpfer selbst wird heute oft unreflektiert als eine Aussage über unsere vorfindbare Welt übertragen. So einfältig denkt aber das AT mitnichten. Was wir vorfinden, ist seit Menschengedenken alles andere als einfachhin gut und schön. Daher wird uns schon wenige Kapitel später ein zweites Urteil Gottes über Seine Schöpfung mitgeteilt, ein Vers, der in der gestrigen Lesung hätte enthalten sein müssen, aber leider von der Leseordnung her ausgelassen ist. „Gott sah die Erde, und siehe, sie war verdorben“ (Gen 6,12).

Es kann kein Zweifel bestehen, dass beide Aussagen über die geschaffene Welt schon von ihrem Wortlaut her aufeinander bezogen sind. Zusammengelesen besagen sie: die Schöpfungsherrlichkeit ist für uns Menschen nur noch gebrochen erfahrbar. Durch den Einbruch des Bösen, das nicht Gott, sondern der Mensch verursacht hat, ist sie nicht mehr so, wie sie ursprünglich von Gott gedacht und gewollt war. Im Gegenteil: das Böse, einmal losgetreten, wächst lawinenartig an und vergiftet die Menschheit so sehr, dass wir in der gestrigen Lesung die ungeheuerliche Aussage hören konnten: „Da reute es den Herrn, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben, und es tat seinem Herzen weh.“

Dieser „Schmerz“ Gottes über die Verunstaltung Seines Schöpfungswerkes, wie es hier in sehr menschlicher Sprechweise ausgedrückt wird, führt bei Gott zu einer Reaktion des Unheils. „Ich will den Menschen, den ich erschaffen habe, vom Erdboden vertilgen, mit ihm auch das Vieh, die Kriechtiere und die Vögel des Himmels, denn es reut mich, sie gemacht zu haben.“

Dies ist eine andere Sprache über Gott als die, die wir gewohnt sind, zu hören und zu sprechen. Wo bleibt da die Liebe des Schöpfers zu Seinem Geschöpf?

Wir verstehen diese Aussagen wohl nur dann richtig, wenn wir sagen: Der biblische Autor wollte damit ausdrücken, dass wir Menschen es aus uns heraus nicht anders verdient hätten, unterzugehen. Aber der weitere Verlauf zeigt, dass Gott andere Pläne hat, Pläne des Heils und nicht des Unheils. 

Die Sintfluterzählung, die wohl die Erinnerung an eine riesige Naturkatastrophe aufbewahrt hat, mündet ein in den ersten Bund, den Gott mit der verderbten Schöpfung schließt. Es gibt einen kleinen Rest, Noah und seine Familie, von der es heißt, dass sie Gnade fanden in den Augen Gottes. Mit diesen Wenigen will er noch einmal ganz von vorne beginnen. Und dieser Neubeginn enthält eine universale Verheißung. Wir werden sie in der morgigen Lesung hören: „Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben. Hiermit schließe ich meinen Bund mit euch und mit euren Nachkommen und mit allen Lebewesen bei euch. Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch … für alle kommenden Generationen … Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.“

Der erste Bund, von dem die hl. Schrift berichtet, gilt also der ganzen Schöpfung. Er gilt der Menschheit insgesamt einschließlich der Tierwelt. Nichts, aber auch gar nichts wird von dieser Verheißung des Heils ausgeschlossen.  

In der Klammer dieses ersten universalen Bundes stehen nun die weiteren partikularen Bundesschlüsse Gottes, von denen die hl. Schrift berichtet,  zunächst mit Abraham, später dann mit dem Volk Israel, das aus ihm hervorgehen wird. Damit wird deutlich: diese späteren Bundesschlüsse zielen von Anfang an auf das Heil des Ganzen, auf die Menschheit insgesamt. Im neuen und ewigen Bund, den Gott in Jesus Christus begründen wird, wird das Partikulare wieder auf das Universale, der Bund mit einem kleinen Volk auf den Bund mit allen Völkern hin geöffnet. Die Erwählung Israels bedeutet daher nicht Bevorzugung vor anderen, sondern Existenz für die anderen. Stellvertretend für alle anderen Völker hat Gott in Israel, im Volk des Alten Bundes, vorbereitet, was notwendig war, damit aus diesem Volk das angebotene Heil für alle hervorgehen konnte: Jesus Christus, der die Schuld aller für alle auf sich nahm, um die Verderbnis der Welt zu verwandeln in Vergebung, Heil und ewiges Leben.  

Dieses Angebot des Heils gilt allen Menschen, denn „Gott will, dass alle Menschen gerettet werden“, so schreibt Paulus in seinem Brief an Timotheus (2,4). Das bedeutet, dass es auch für die Menschen aus nicht-christlichen Religionen einen Weg zum Heil geben muss, den Jesus selbst in einem seiner Endgerichtsgleichnisse andeutet. Hier spricht Er zu denen, die Ihn nicht gekannt haben, dass sie Ihm entweder gedient oder nicht gedient haben in der Art und Weise, wie sie sich ihren Mitmenschen gegenüber verhalten haben. Was sie den Brüdern und Schwestern an Liebe erwiesen oder auch nicht erwiesen haben, haben sie Ihm, Christus, getan oder auch nicht getan. Der ordentliche Weg des Heils ist freilich das Bekenntnis zu Ihm, Christus, dem Erlöser aller. Wie wir uns zu Ihm persönlich stellen und/oder zu Ihm in unseren Schwestern und Brüdern, wird über unser persönliches Heil oder Unheil entscheiden.

Was aber ganz sicher gilt, um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Auch in der Erwählung des Volkes Israel zielt Gottes Heilswille immer schon auf das Ganze. Beten wir für uns selbst, aber ganz besonders auch für alle Menschen, dass wir das Heil nicht aufgrund persönlicher Verweigerung verfehlen, sondern es in der Gnade Jesu Christi empfangen.

Pfr. Bodo Windolf

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