Impuls für Radio Horeb vom 11.03.2009

St. Severin Garching

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Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching

Impuls in Radio Horeb  11.03.2009
2. Fastenwoche Impuls zu Mt 20,17-28 Messianische Vorstellungen zur Zeit Jesu

Geben uns die Evangelien eigentlich ein zuverlässiges Bild von Jesus? Das ist eine Streitfrage, die die Exegeten seit Jahrhunderten bewegt und sehr unterschiedlich beantwortet wurde und wird. Die einen bejahen die Frage, andere sagen, dass der historische Jesus nicht mehr sehr viel mit dem später geglaubten Christus zu tun hat; dass er also erst nachträglich zum messianischen Sohn Gottes stilisiert und die Berichte über Ihn entsprechend gestaltet, um nicht zu sagen frisiert wurden.

Was angesichts solcher Thesen so gut wie nie berücksichtigt wird, ist die Frage, ob ein in solcher Weise letztlich verfälschtes Jesusbild überhaupt im Ideenhorizont Seiner Zeit vorhanden war. Mit anderen Worten: Wenn behauptet wird, die Gestalt Jesu, wie sie uns die Evangelien zeichnen, entspreche in weiten Teilen nicht der historischen Realität, dann erhebt sich die Frage, ob man sie so eigentlich hätte erfinden können.

Mir will scheinen, dass genau das nachweislich nicht stimmt, dass vielmehr die Gestalt Jesu vor dem Hintergrund der religiösen Ideen Seiner Zeit ganz anders erfunden worden wäre, als sie uns vorliegt. Ich will dies am Beispiel der messianischen Vorstellungen im gesellschaftlichen Umfeld Jesu zu zeigen versuchen. Hören wir dazu ins heutige Evangelium hinein:

„Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben, damit er verspottet, gegeißelt und gekreuzigt wird; aber am dritten Tag wird er auferstehen.“

Es ist die dritte Leidensankündigung Jesu, die wir hier hören, und sie prallt von den Jüngern Jesu genau so ab wie die beiden ersten. Man sieht es an der Reaktion. Unter den Aposteln bricht ein Rangstreit aus, den Jesus schlichten muss mit dem Hinweis auf all jene Mächtigen, die ihre Macht zur Unterdrückung anderer missbrauchen. Unter ihnen aber solle es nicht so sein, vielmehr sei der Größte der, der bereit ist, Diener aller zu sein bis hin zur Lebenshingabe für sie.

Nicht nur hier, sondern schon früher, vor allem Petrus gegenüber, hatte sich Jesus in schroffester Weise gegen die Messiasvorstellungen Seiner Freunde gestellt: „Weiche von mir, Satan, denn du denkst nicht die Gedanken Gottes, sondern die Gedanken der Menschen“, so fährt er Petrus nach Seiner ersten Leidensankündigung an, als dieser Ihn davon abbringen will.

Die „Gedanken der Menschen“ in Bezug auf den Messias – wie sahen sie bei den Zeitgenossen Jesu aus? Gehen wir einige repräsentative Gruppierungen dieser Zeit durch.

Da waren etwa die Zeloten, die einen militanten jüdischen Nationalismus vor allem gegen die verhasste römische Besatzungsmacht verfochten. Für sie würde der Messais ein kriegerischer Held sein, der mit dem Schwert in der Hand einen politischen Umsturz herbeiführen, die Römer aus dem Land jagen und ein unabhängiges Israel errichten würde, um hier ein Reich des Rechts und der Gerechtigkeit zu begründen. Das ursprünglich religiös gemeinte Wort: „Kein Herr über uns als der Herr“, wurde bei ihnen unter der Hand zu einer politischen Parole. Jahwe selbst würde durch den Messias den Krieg führen. Vorbild waren die kriegerischen Makkabäer, die sich 150-200 Jahre zuvor gegen die griechische Vorherrschaft gewehrt hatten.

Was waren die Erwartungen des einfachen Volkes in Bezug auf den Messias? Zunächst würde er aller materiellen Not ein ende bereiten. So versteht man auch, warum man nach der wundersamen Brotvermehrung und der Speisung der 5000 Jesus ganz spontan zum Messiaskönig ausrufen wollte. Außerdem würde er ein tollkühner Kämpfer und unverletzbarer Held sein, denn die Engel Gottes würden ihn allezeit bewahren, dass sein Fuß nie auch nur an einen Stein stoße. Wie gut erinnert das an die zweite Versuchung Jesu. Schließlich würde er der Herrscher über alle Völker und Reiche sein und so Israel über alle anderen erheben. Hier trifft sich das volkstümliche Messaisbild mit dem Nationalismus der Zeloten, der also außerordentlich populär war.

Im Gegensatz dazu erwarteten die Pharisäer einen Messias, der mit Kampf und Aufstand nichts im Sinn haben würde. Sein Kommen würde vielmehr „Frucht der Gerechtigkeit“ sein im Sinne einer „vollständigen Gesetzeserfüllung“. Genau dies war das Bemühen der Pharisäer, weswegen sie den Messias aus ihren eigenen Reihen erwarteten. Er würde der vollkommene „Gerechte“ sein, da Er das Gesetz, die Tora, bis zum kleinsten Buchstaben hin befolgen würde. Dass Jesus daher in ihren Augen der Messais gar nicht sein konnte, war für sie erwiesen etwa durch Seinen Umgang mit dem Sabbat. Die Freiheit Jesu den Sabbatgesetzen gegenüber, Sein Wort: „Der Mensch ist nicht für den Sabbat da, sondern der Sabbat für den Menschen“, machte Ihn zum klaren Gesetzesübertreter. Noch schlimmer war Sein Umgang mit Zöllnern und Sündern, mit denen er sich an einen Tisch setzte. Das machte Ihn nach dem Gesetz unrein, genauso wie die Berührung mit Kranken, insbesondere Aussätzigen.

Die Essener wiederum unterschieden sehr deutlich zwischen den „Söhnen der Finsternis“, denen auch der Hass Jahwes galt, und den „Söhnen des Lichtes“. Die Barmherzigkeit, mit denen Jesus sich gerade den vom Gesetz her Ausgeschlossenen und Verachteten zuwendete, war für sie nicht nachvollziehbar.

All diese Hinweise machen verständlich, warum Jesus während Seines ganzen öffentlichen Auftretens sich selbst nie eindeutig als Messias bezeichnete und er es auch den Jüngern geradezu verbot, Ihn vor den Leuten als solchen zu bezeichnen. Die Evangelisten zeigen Ihn uns auf eine Weise, die im krassen Gegensatz zu sämtlichen Messaisvorstellungen Seiner Zeit und auch ihren eigenen stand. Um eine Gestalt wie Jesus zu erfinden, waren überhaupt keine Voraussetzungen gegeben, denn erfunderweise sähe diese Gestalt vollkommen anders aus.

Und so bezeugen die Evangelien übereinstimmend, dass hier etwas ganz Neuartiges begegnete, eine Person von so anderer Denk- und Verhaltensweise, dass sie nicht einzuordnen war und ist in das, was ihren eigenen Erwartungen entsprach. Diese Unerfindbarkeit Jesu, des Christus, des Messias, des Sohnes Gottes, ist für mich ein starkes Argument für die Zuverlässigkeit der Evangelien. …

Pfr. Bodo Windolf

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