Impuls für Radio Horeb vom 26.08.2009

St. Severin Garching

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Pfarrer Bodo Windolf, St. Severin Garching

Impuls in Radio Horeb  21. Woche i. J. zu Johannes, Kap. 6,  26.08.2009

Gottes Wort und die hl. Eucharistie

"Wir danken Gott, dass ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern – was es in Wahrheit ist – als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen wirksam." Mit diesem Satz endet der heutige Lesungsabschnitt aus dem ersten Thessalonicherbrief.

Wort Gottes – zunächst und ohne lange zu überlegen verbinden wir damit das geschriebene Wort; das geschriebene Wort der Bibel, des Alten und des neuen Testamentes. Doch Achtung – so einfach können und dürfen wir es uns nicht machen. Denn im Neuen Testament hat Gottes Wort eine ungeahnte, unausdenkbar neue Qualität erhalten. Das eigentliche Offenbarungswort Gottes ist nun nicht mehr einfach nur das verkündete und dann etwa durch die Evangelisten aufgeschriebene Wort, das wir in jeder Bibel nachlesen können, sondern es ist eine Person; es ist Jesus Christus selbst. "Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt." So drückt es der Evangelist Johannes aus. Anders formuliert: Christus ist Gottes Wort in Fleischgestalt, die hl. Schrift ist Gottes Wort nur in Buchstabengestalt. Noch einmal anders ausgedrückt: Gottes Offenbarungswort an uns Menschen ist primär Sein Sohn selbst, nicht die hl. Schrift. Diese ist nur das gottgewirkte Zeugnis vom fleischgewordenen Wort Gottes, was ihr aber selbstverständlich nichts von ihrer Wichtigkeit und Würde nimmt.

Dennoch könnten wir uns fragen: Ist es nicht ungerecht? Die Menschen damals, zur Zeit Jesu, sie hatten Umgang mit Jesus, dem menschgewordenen Wort Gottes selbst, wir aber müssen uns mit dem gewissermaßen sekundären Wort der Schrift begnügen.

Wenn wir tiefer nachdenken, ist dies allerdings in keiner Weise richtig. Was damals war, gilt auch heute. Gottes Wort will nicht nur Wort bleiben, sondern es will sich verleiblichen. Damals ging Gottes ewiges Wort ein in einen menschlichen Leib, in den Leib Christi, geboren aus der Jungfrau Maria. Seit dem Tod und der Auferstehung Jesu geht Gottes ewiges Wort in jeder hl. Messe ein in den sakramentalen Leib Christi, gewirkt im Schoß der Kirche, wenn sie im Auftrag Jesu die Eucharistie feiert.

Es wird also deutlich, welch untrennbarer Zusammenhang besteht zwischen hl. Schrift und Eucharistie. Das Schriftwort findet sein Ziel erst, wenn es sich wieder und wieder verleiblicht. Dieser innere Zusammenhang wird schon allein am äußeren Aufbau der hl. Messe deutlich. Immer beginnt sie mit einem Wortgottesdienst, der dann aber in den eucharistischen Teil einmündet und in ihm sein Ziel und seinen Höhepunkt findet. Ich empfinde es immer wieder als eine große Tragik Martin Luthers und der nachfolgenden reformatorischen Entwicklung, dass Luther den Menschen zwar – und das ist ihm hoch anzurechnen – eine große und auch neue Wertschätzung der Bibel geschenkt hat, dass er aber diesen inneren Zusammenhang aufgelöst und ungezählten Menschen und Generationen die Eucharistie – ich wage zu formulieren – geraubt hat.

Dieser innere Zusammenhang von verkündetem Schriftwort und Eucharistie wurde auch in den Evangelien der vergangenen Sonntage deutlich. Beginnend mit der Brotvermehrungsgeschichte wurde an fünf aufeinanderfolgenden Sonntagen die sich anschließende sog. eucharistische Rede Jesu in der Synagoge von Karphanaum zu Gehör gebracht. Den Spannungsbogen, den dieses 6. Kap. des Johannes-Evangeliums beschreibt, will ich einmal versuchen nachzuzeichnen.

Am Anfang der Brotvermehrung und der eucharistischen Rede steht das verkündete Wort Jesu. Die Evangelisten berichten übereinstimmend, dass Jesus die große Menschenmenge lange lehrte. Die Faszination an Seiner Peson und Seiner Predigt war so groß, dass man glatt vergessen hatte, sich mit genügend Proviant zu versehen. Die Bereitschaft eines kleinen Jungen, das Wenige, das er wohl als einziger dabei hatte, zur Verfügung zu stellen, ist die Grundlage, dass Jesus das Brotwunder wirken konnte.

Jesu begnadetes Sprechen und dann noch dieses Zeichen Seiner Macht bewirken das Unausweichliche: Man will seiner habhaft werden. Man sagt: Das ist unser Mann. Wenn wir ihn zu unserem Anführer und König machen, dann haben wir ausgesorgt. All die elende Plackerei Tag für tag, die Sorge ums tägliche Brot – all das wird vorbei sein.

Wir wissen, dass Jesus nichts weniger als solche Ambitionen hegte, und so entzieht Er sich der Menge. Aber man ahnt wohl, wohin Er sich begeben wird, und trifft Ihn tatsächlich in der Synagoge von Karphanaum. Was nun folgt, ist der Versuch Jesu, Seine Zuhörer in drei Schritten über ihr gewohntes Alltagsdenken hinauszuführen.

Zunächst fragt Er nach ihren Motiven: Seid ihr hier wegen mir, wegen meiner Person, oder wegen euch selbst, nämlich weil ihr satt geworden seid und einen vollen Bauch bekommen habt? Aber es geht Jesus nicht um Vorwurf und Anklage. Vielmehr will Er sie von hier aus packen bei der Frage nach ihrer eigentlichen und tiefsten Sehnsucht. Nicht um jene Speise, die verdirbt, sollen sie sich mühen, sondern um jene, die ewiges Leben schenkt, weit über dieses irdische Leben hinaus. Denn es gibt eine Sehnsucht im Menschen, die unendlich größer ist als jene, die mit einem satten Bauch und einem vollen Kühlschrank zu stillen ist. Wo aber finde ich dieses andere Brot, das Brot der Seele, das diesen noch tieferen Hunger in uns stillt? An dieser Stelle – das ist der zweite Schritt – bietet Jesus sich selbst an. "Ich bin dieses Brot, das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten."

Doch Jesus macht an dieser Stelle nicht halt. Dass Jesus Sich, Seine Worte, Sein Beispiel, Sein Tun in einem übertragenen Sinn als Brot für die Menschen bezeichnet, mag gerade noch angehen, obwohl erste Zweifel in der zuhörenden Menge deutlich werden. Aber Jesus kehrt in einem dritten Schritt Seine Worte noch einmal um. Er sagt nicht nur: Ich bin das Brot des Lebens, sondern: Dieses Brot, das ich euch geben werde – und hier blickt Er voraus auf das Geschehen im Abendmahlssaal – das bin ich. In einem wörtlichen Sinn werde ich Brot für euch. "Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut wahrhaft ein Trank."

Dieser letzte Übergang, ausgehend vom gehörten Predigtwort Jesu über Seine Behauptung: Ich selbst bin das Brot des Lebens, bis hin zu der Aussage: Das Brot, das ich euch geben werde, das eucharistische Brot, das bin ich selbst, darin bin ich gegenwärtig – all das ist zu viel für einen großen Teil der Anwesenden. Und so endet, was mit so viel Begeisterung begonnen hatte, in einem großen Eklat. Viele Seiner Anhänger verlassen Ihn daraufhin.

Und wie reagiert Jesus? Nicht eins Seiner Worte nimmt Er zurück. Er beschwichtigt nicht, sagt nicht, es sei ja alles nicht so gemeint. Vielmehr ist Ihm das Gesagte so wichtig, so zentral, dass Er alles auf eine Karte setzt und sogar riskiert, auch die Ihm am nächsten stehenden Freunde zu verlieren und dann ganz allein dazustehen. Und so wendet Er sich nun auch Seine Apostel mit der einfachen Frage: "Wollt auch ihr gehen?" Dann aber das großartige, das Kapitel abschließende Bekenntnis Petri: "Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens."

Was uns hier vor Augen gestellt wird, sollte uns mit großer Ehrfurcht erfüllen: mit Ehrfurcht vor dem Wort der hl. Schrift, das uns in vielfältigster Weise die Person Jesu vor Augen führt; mit mindestens so großer Ehrfurcht vor der Eucharistie. In ihr ist Jesus Christus, das ewige Wort des Vaters, wie in einem alles zusammenfassenden und alle Worte bündelnden Brennpunkt gegenwärtig. Sie ist das wieder und wieder verleiblichte Wort des Vaters, das uns so als wahre Speise von innen erfüllen und ganz in unsere Existenz, in unser Denken, Reden und Tun eingehen und sich so auch in uns verleiblichen will.

Dass dies geschehe, dazu erbitte ich für uns alle den Segen des Dreifaltigen Gottes …

Pfr. Bodo Windolf

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